FAQ

Herz­lich will­kom­men bei den FAQ der Ombud­schaft in der Jugendhilfe!

Die Ombuds­stel­len in der Kin­der- und Jugend­hil­fe in Deutsch­land haben sich zu einem Bun­des­netz­werk zusam­men­ge­schlos­sen und tref­fen sich regel­mä­ßig zum Aus­tausch und zur Bear­bei­tung gemein­sa­mer The­men. Dabei wur­de deut­lich, dass es Fra­gen gibt, die in allen Ombuds­stel­len regel­mä­ßig gestellt werden.

Für die Rat­su­chen­den, aber auch für die Ombuds­stel­len haben Kolleg:innen des Bun­des­netz­werk Ombud­schaft in der Juhend­hil­fe daher häu­fig gestell­te Fra­gen (oder: Fre­quent­ly Asked Ques­ti­ons- FAQ) zusam­men­ge­stellt und beant­wor­tet. Die Fra­ge­stel­lun­gen sind für alle Rat­su­chen­den, ob es sich um Eltern, Kin­der, Jugend­li­che, jun­ge Voll­jäh­ri­ge oder auch Fach­kräf­te han­delt. Die Fra­ge­stel­lun­gen bezie­hen sich ins­be­son­de­re auf Situa­tio­nen, in denen Hil­fen zur Erzie­hung (27 SGB VIII) oder Hil­fen für jun­ge Voll­jäh­ri­ge (§41 SGB VIII) bean­tragt sind oder durch­ge­führt wer­den. Die FAQ die­nen zu einer ers­ten Ori­en­tie­rung und kön­nen die ombud­schaft­li­che Bera­tung nicht erset­zen. Aber eine ers­te Ein­schät­zung der eige­nen Situa­ti­on kann hier Unter­stüt­zung finden.

Die Fra­gen sind nach The­men­fel­dern sor­tiert und die Ant­wor­ten geben auch Hin­wei­se auf recht­li­che Ansprü­che. Bei eini­gen The­men bzw. Fra­gen gibt es Unter­schie­de zwi­schen den Bun­des­län­dern. Dies ist gekenn­zeich­net. Die Aus­wei­sung von fach­li­chen Hin­wei­sen und Ver­wei­se auf Geset­zes­tex­te sind ver­linkt: „Wer noch mehr wis­sen möchte…“

Ombud­schaft­li­che Bera­tung kann nicht alle Fra­gen bezie­hungs­wei­se The­men lösen. Auch ande­re Stel­len kön­nen Bera­tung und Unter­stüt­zung bei Pro­ble­men bie­ten. Manch­mal ist zum Bei­spiel eine Erzie­hungs­be­ra­tungs­stel­le eine gute Adres­se, wenn es um Fra­ge­stel­lun­gen zur Erzie­hung geht.

Übri­gens: Nach der Geset­zes­än­de­rung ist auch das Jugend­amt ver­pflich­tet, zu all­ge­mei­nen Anfra­gen die Jugend­hil­fe betref­fend zu bera­ten, bei­spiels­wei­se zu Leis­tun­gen ande­rer Leis­tungs­trä­ger oder Hin­wei­se auf Bera­tungs­an­ge­bo­te vor Ort zu geben.

Ombud­schaft­li­che Bera­tung fin­den Sie in fast allen Bun­des­län­dern. Adres­sen fin­den Sie hier: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/

Alle FAQ’s fin­den Sie auch als PDF-Doku­ment hier.

Zur bes­se­ren Les­bar­keit schrei­ben wir in der weib­li­chen Form. Alle Men­schen wer­den dabei von uns ange­spro­chen. Men­schen mit unter­schied­li­cher Her­kunft, Geschlecht, geschlecht­li­cher Iden­ti­tät, Alter, Haut­far­be, Reli­gi­on, sexu­el­ler Ori­en­tie­rung oder Behin­de­rung sol­len von die­sen FAQ pro­fi­tie­ren können.

1.Welche Bera­tungs­stel­le kann weiterhelfen/​wann ist ombud­schaft­li­che Bera­tung sinnvoll?

1.1. Bera­tung: Wer kann sich ombud­schaft­lich bera­ten lassen?

Ombuds­stel­len bie­ten jun­gen Men­schen und ihren Fami­li­en, die in Kon­flikt­si­tua­tio­nen mit der Kin­der- und Jugend­hil­fe (Jugend­amt und freie Trä­ger) ste­hen, Bera­tung, Infor­ma­tio­nen und Ver­mitt­lung. Denn Ombud­schaft heißt: Infor­mie­ren, auf­klä­ren, beglei­ten und stär­ken. Sie rich­ten sich an alle Men­schen, die sich über ihre Rech­te nach dem SGB VIII auf­klä­ren las­sen wol­len. Die Bera­tung ist unab­hän­gig vom Jugend­amt, kos­ten­frei und vertraulich.

1.2. Ich habe Pro­ble­me mit dem Jugend­amt oder einem Trä­ger. An wel­che Bera­tungs­stel­le kann ich mich kon­kret wenden?

Ombud­schaft­li­che Bera­tungs­stel­len gibt es in den meis­ten Bun­des­län­dern. Mitt­ler­wei­le gibt es zahl­rei­che Ombuds­stel­len im Bun­des­netz­werk und meh­re­re mit ihnen koope­rie­ren­de Bera­tungs­stel­len. Alle Ombuds­stel­len fin­den sich unter die­sem Link: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/

Wenn es in einer Regi­on noch kei­ne ombud­schaft­li­che Bera­tungs­stel­le gibt, kann Kon­takt für eine tele­fo­ni­sche Kurz­be­ra­tung zu einer Ombuds­stel­le im Nach­bar­bun­des­land auf­ge­nom­men wer­den. Die Ombuds­stel­len kön­nen je nach The­ma auch ande­re Beschwer­de­stel­len nennen.

1.3. Ich habe Pro­ble­me mit dem Jugend­amt oder einem Trä­ger. An wel­che Bera­tungs­stel­le kann ich mich kon­kret wenden?

Ombud­schaft­li­che Bera­tungs­stel­len gibt es in den meis­ten Bun­des­län­dern. Mitt­ler­wei­le gibt es zahl­rei­che Ombuds­stel­len im Bun­des­netz­werk und meh­re­re mit ihnen koope­rie­ren­de Bera­tungs­stel­len. Alle Ombuds­stel­len fin­den sich unter die­sem Link: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/

Wenn es in einer Regi­on noch kei­ne ombud­schaft­li­che Bera­tungs­stel­le gibt, kann Kon­takt für eine tele­fo­ni­sche Kurz­be­ra­tung zu einer Ombuds­stel­le im Nach­bar­bun­des­land auf­ge­nom­men werden.

1.4. Gewalt­vor­wurf: Ich bin Mut­ter und mir wird vor­ge­wor­fen, dass ich mei­nem Kind Gewalt antun wür­de. Das ist aber nicht so. Wie kann ich das Jugend­amt davon überzeugen? 

Das Jugend­amt ist auf Grund­la­ge des soge­nann­ten Wäch­ter­am­tes dazu ver­pflich­tet, Hin­wei­sen auf eine even­tu­ell bestehen­de Kin­des­wohl­ge­fähr­dung nach­zu­ge­hen. Jeder jun­ge Mensch hat das Recht auf gewalt­freie Erzie­hung (§ 1631 BGB). Das bedeu­tet, dass weder kör­per­li­che Bestra­fun­gen noch see­li­sche Ver­let­zun­gen zuläs­sig sind. Das Gesetz ver­an­kert das Recht auf gewalt­freie Erzie­hung (§ 1631 Abs. 2 des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches), dem auch zu ent­neh­men ist, dass „kör­per­li­che Bestra­fun­gen, see­li­sche Ver­let­zun­gen und ande­re ent­wür­di­gen­de Maß­nah­men unzu­läs­sig“ sind.

Durch eine offe­ne Zusam­men­ar­beit mit dem Jugend­amt soll­ten die­se Miss­ver­ständ­nis­se aus­ge­räumt werden.

2. Wel­che Hand­lungs­mög­lich­kei­ten gibt es bei typi­schen Konflikten?

2.1. Wech­sel der zustän­di­gen Jugend­amts­mit­ar­bei­te­rin: Die Mit­ar­bei­te­rin des Jugend­amts unter­stützt mich nicht. Kann ich wechseln?

Der Wech­sel einer Mit­ar­bei­te­rin ist gar nicht so ein­fach, wie man den­ken möch­te. Man kann den Wunsch äußern, man kann sich auch an den oder die Vor­ge­setz­te wen­den oder gar eine Dienst­auf­sichts­be­schwer­de ein­le­gen. Es kann immer wie­der pas­sie­ren, dass man mit der zustän­di­gen Jugend­amts­mit­ar­bei­te­rin nicht so gut reden kann, dass “die Che­mie ein­fach nicht stimmt”, dass man aus ver­schie­de­nen Grün­den kein Ver­trau­en hat. Die Jugend­äm­ter haben in der Regel auch ein Inter­es­se dar­an, dass die Arbeits­be­zie­hung zwi­schen den Mit­ar­bei­te­rin­nen und den Kli­en­tin­nen gut funk­tio­niert, und ver­su­chen dem Wunsch nach einem Wech­sel nach­zu­kom­men. Ein Recht auf Wech­sel der Mit­ar­bei­te­rin gibt es aller­dings nicht.

2.2. Dienst­auf­sichts­be­schwer­de: Ich bin unzu­frie­den mit der Mit­ar­bei­te­rin des Jugend­amts. Macht es Sinn, eine Dienst­auf­sichts­be­schwer­de zu formulieren?

Die Dienst­auf­sichts­be­schwer­de gehört zu den soge­nann­ten “form­lo­sen Rechts­be­hel­fen”, Sie soll­te an die Lei­tung der betref­fen­den Mit­ar­bei­te­rin und an die Amts­lei­tung gerich­tet wer­den. Sie führt immer dazu, dass die jewei­li­ge Mit­ar­bei­te­rin von der Lei­tung dar­auf ange­spro­chen und die Ange­le­gen­heit näher beleuch­tet wird. Sie führt in den aller­sel­tens­ten Fäl­len dazu, dass der oder die betref­fen­de Mit­ar­bei­te­rin tat­säch­lich wegen ihres Ver­hal­tens aus­ge­tauscht wird. Soll­ten sich Dienst­auf­sichts­be­schwer­den hin­sicht­lich einer der Mit­ar­bei­te­rin häu­fen, darf jedoch durch­aus davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass dies von der Lei­tung wahr­ge­nom­men wird und es frü­her oder spä­ter zu bestimm­ten Kon­se­quen­zen für die Mit­ar­bei­te­rin füh­ren wird. Von daher ist eine Dienst­auf­sichts­be­schwer­de nicht umsonst

Von einer Dienst­auf­sichts­be­schwer­de zu unter­schei­den ist die Fach­auf­sichts­be­schwer­de, die sich nicht gegen das ein­zel­ne Ver­hal­ten einer Mit­ar­bei­te­rin rich­tet, son­dern gegen eine fach­li­che Entscheidung.

2.3. Bei­stand­schaft: Ich füh­le mich beim Jugend­amt immer so allein. Alle reden auf mich ein und nie­mand ist für mich da. Wie kann ich mir Unter­stüt­zung holen?

Grund­sätz­lich hat jede Per­son das Recht, sich bei einem Ter­min beim Jugend­amt von einer Per­son (oder auch meh­re­ren Per­so­nen) des Ver­trau­ens beglei­ten zu las­sen (§ 13 Abs 4 SGB X). Weil dies nicht alle Mit­ar­bei­ten­den beim Jugend­amt wis­sen und gele­gent­lich auch ver­weh­ren wol­len, ist es durch­aus sinn­voll, die­sen Para­gra­fen parat zu haben, um ihn not­falls vor­zei­gen zu kön­nen. Bei der Per­son des Ver­trau­ens kann es sich um eine Freun­din han­deln, um einen Eltern­teil oder auch zum Bei­spiel Mit­ar­bei­ten­de einer Ombuds­stel­le. (www.ombudschaft-jugendhilfe.de)

2.4. Hil­fe­plan: Mei­ne Kin­der leben in Wohn­grup­pen. Das Sor­ge­recht tei­le ich mir mit mei­ner Ex-Part­ne­rin. Wir strei­ten uns in den Hil­fe­plan­ge­sprä­chen immer. Das hilft unse­ren Kin­dern nicht. Kön­nen die­se Gesprä­che nicht geteilt ablaufen?

Ja, das ist mög­lich. Wenn das Jugend­amt, das nicht selbst vor­schlägt, kön­nen Sie das machen. Dabei ist es hilf­reich, wenn Sie offen dar­um bit­ten und fair sagen kön­nen, war­um geteil­te Gesprä­che bes­ser sind („Ich wün­sche mir das, weil es so glau­be ich bes­ser für mei­ne Kin­der ist“). Es ist nicht hilf­reich, der Ex-Part­ne­rin oder dem Jugend­amt die Schuld dafür zu geben, dass es bis­her nicht gut funk­tio­niert hat.

Geteil­te Gesprä­che bedeu­ten auch, dass vie­les zwei­mal bespro­chen wer­den muss. Es kann aber auch sein, dass das Gespräch nicht auf­ge­teilt wird. Dann gibt es die Mög­lich­keit, mit einer Ombuds­per­son vor­her zu bespre­chen, wie Sie ruhig blei­ben und Ihre Wün­sche trotz­dem sagen kön­nen. Viel­leicht kann die Ombuds­per­son sogar zum Gespräch mit­kom­men und Sie dort unterstützen.

2.5. Hil­fe­plan: Im letz­ten Hil­fe­plan war münd­lich etwas ande­res ver­ein­bart, als es dann im Pro­to­koll stand. Das Jugend­amt sagt aber, dass es nun so wäre, wie es dort steht. Was kann ich dage­gen tun?

Das Jugend­amt kann dazu auf­ge­for­dert wer­den, den Hil­fe­plan noch ein­mal zu ändern. Soll­te sich das Jugend­amt wei­gern, kann eine eige­ne schrift­li­che Stel­lung­nah­me zum Hil­fe­plan geschrie­ben und das Jugend­amt dar­um gebe­ten wer­den, die Anmer­kun­gen zur Akte zu heften.

Wir emp­feh­len, im Zwei­fels­fall die wich­tigs­ten Punk­te und Ver­ein­ba­run­gen in Gesprä­chen mit dem Jugend­amt mit­zu­schrei­ben und dem Jugend­amt zu über­sen­den, damit es nach dem Gespräch nicht zu Miss­ver­ständ­nis­sen kommt.

2.6. Haus­be­such: Bei uns hat sich das Jugend­amt zu einem Haus­be­such ange­kün­digt. Muss ich das Jugend­amt in mei­ne Woh­nung lassen?

Das Jugend­amt soll sich im Rah­men einer Gefähr­dungs­ein­schät­zung bei gewich­ti­gen Anhalts­punk­ten für eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung einen unmit­tel­ba­ren Ein­druck von der per­sön­li­chen Umge­bung des Kin­des ver­schaf­fen. Zur per­sön­li­chen Umge­bung des Kin­des gehört auch die Woh­nung. Soll­ten Sie dem Jugend­amt den Zutritt zu Ihrer Woh­nung ver­wei­gern, so kann es sich in beson­de­ren Fäl­len Unter­stüt­zung von der Poli­zei holen. Dies ist nur mög­lich, wenn es aus Sicht des Jugend­am­tes Hin­wei­se für eine aku­te Kin­des­wohl­ge­fähr­dung nach § 8 a SGB VIII gibt.

Ein Haus­be­such ist ohne kon­kre­te gewich­ti­ge Anhalts­punk­te für eine Gefähr­dung des Kin­des nicht zuläs­sig, wenn es dem Jugend­amt dar­um geht, sich ledig­lich einen Ein­druck von dem Kind zu ver­schaf­fen. Den­noch bleibt Ihnen die Mög­lich­keit, das Jugend­amt in Ihre Woh­nung zu las­sen und in einem gemein­sa­men Gespräch zu klä­ren, wie die Situa­ti­on ein­zu­schät­zen ist.

2.7. Ein­sei­tig: Ich strei­te mich mit dem Vater mei­nes Kin­des. Das Jugend­amt nimmt mei­ne Ängs­te nicht ernst. Dür­fen sich die Mit­ar­bei­ten­den auf eine Sei­te stellen?

Das Jugend­amt hat die Auf­ga­be, in Tren­nungs- und Schei­dungs­fra­gen über die Ange­bo­te im ört­li­chen Ein­zugs­be­reich zu infor­mie­ren und gege­be­nen­falls zu bera­ten und zu beglei­ten. Dies alles soll früh­zei­tig im Tren­nungs­fall erfol­gen, wenn zum Bei­spiel das Fami­li­en­ge­richt von Schei­dungs­ab­sich­ten erfährt und Kin­der betei­ligt sind, oder die Eltern sich rat­su­chend ans Jugend­amt wen­den. Wenn das Jugend­amt selbst die Bera­tung über­nimmt oder sogar Erzie­hungs­hil­fe leis­tet, sind die Mit­ar­bei­ten­den ver­pflich­tet, zum Woh­le des Kin­des zu han­deln. Sie dür­fen sich also auf die Sei­te der Kin­der stel­len, soll­ten aber die Eltern glei­cher­ma­ßen beraten.

3. Zustän­dig­keit des Jugendamtes

3.1. Zustän­dig­keits­wech­sel: Seit zwei Jah­ren lebt mein Kind in einer Pfle­ge­fa­mi­lie im Nach­bar­land­kreis. Nun soll das bis­he­ri­ge Jugend­amt nicht mehr zustän­dig sein, son­dern das Jugend­amt im Nach­bar­land­kreis. Ist das rechtens?

Ja, wenn ein Kind oder eine Jugend­li­che zwei Jah­re bei einer Pfle­ge­per­son lebt und sein Ver­bleib dort auf Dau­er zu erwar­ten ist, wird der ört­li­che Trä­ger zustän­dig, in des­sen Bereich die Pfle­ge­per­son lebt. Dies ist in § 86 Abs. 6 SGB VIII geregelt.

3.2. Jugend­amt wech­seln: Ich lebe in einer Wohn­ge­mein­schaft. Das zustän­di­ge Jugend­amt ist 300 km weit ent­fernt und küm­mert sich nicht. Kann ich einen Wech­sel des Jugend­am­tes beantragen?

Es besteht die Mög­lich­keit soge­nann­te Amts­hil­fe nach § 4 SGB X zu bean­tra­gen. Amts­hil­fe ist eine auf Ersu­chen geleis­te­te ergän­zen­de Hil­fe zwi­schen Behör­den im gesetz­li­chen Rah­men, ohne dass ein Wei­sungs­ver­hält­nis zwi­schen den Behör­den besteht und die ersuch­te Behör­de die Amts­hand­lung als eige­ne Auf­ga­be wahr­zu­neh­men hät­te. Das heißt, Mit­ar­bei­ten­de des jewei­li­gen Wohn­or­tes wer­den als “Distanz­un­ter­stüt­zung” ein­ge­setzt und tre­ten in stell­ver­tre­ten­der Rol­le auf.

Spe­zi­ell bei Pfle­ge­kin­dern: hier erfolgt nach 2 Jah­ren ein Zustän­dig­keits­wech­sel zu dem Jugend­amt, in des­sen Bezirk die Pfle­ge­fa­mi­lie lebt, wenn das Kind oder die Jugend­li­che dort auf Dau­er blei­ben soll.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 3.1.

Wenn sich der Wohn­sitz ver­än­dert, weil Du als Voll­jäh­ri­ge aus einer Ein­rich­tung aus­ziehst, wech­selt die Zustän­dig­keit des Jugendamtes.

3.3. Erreich­bar­keit: Ich ver­su­che seit Tagen, jeman­den im Jugend­amt zu errei­chen. Aber es geht nie­mand an das Tele­fon. Wie kann ich trotz­dem jeman­den erreichen?

Die tele­fo­ni­sche Erreich­bar­keit des Jugend­am­tes ist oft nicht ganz ein­fach. Eine Mög­lich­keit ist, auf der Home­page des jewei­li­gen Jugend­am­tes zu schau­en, ob es einen soge­nann­ten Tages­dienst gibt und die­sen anzu­ru­fen. Der Tages­dienst soll gera­de gewähr­leis­ten, dass immer eine Mit­ar­bei­te­rin erreich­bar ist. Eini­ge Jugend­äm­ter haben auf ihrer Home­page auch die E‑Mailadressen der Mit­ar­bei­te­rin­nen auf­ge­führt. Dann macht es Sinn, das Anlie­gen mit der drin­gen­den Rück­ruf­bit­te per E- Mail zu schildern.

Auf­grund der Kon­takt­be­schrän­kun­gen durch Covid 19 bie­ten man­che Jugend­äm­ter kei­ne offe­nen Sprech­stun­den an. Außer­dem ist es von den jewei­li­gen Mit­ar­bei­ten­den abhän­gig, ob spon­ta­ne Besu­che mög­lich sind. Es kann pas­sie­ren, dass kurz­fris­ti­ge Ter­mi­ne nicht ange­bo­ten wer­den kön­nen. Jedes Jugend­amt soll­te aller­dings die Mög­lich­keit anbie­ten, mit­zu­tei­len, dass Hil­fe benö­tigt wird.

3.4. Wech­sel des Jugend­am­tes: Ich bin Mut­ter, bekom­me Sozi­al­päd­ago­gi­sche Fami­li­en­hil­fe und will in eine ande­re Stadt umzie­hen. Wird dann auch ein ande­res Jugend­amt zuständig?

Grund­sätz­lich gilt für die Kin­der- und Jugend­hil­fe: Für die Gewäh­rung von Leis­tun­gen ist das Jugend­amt zustän­dig, in des­sen Bereich die Eltern (bzw. der per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­te Eltern­teil) den gewöhn­li­chen Auf­ent­halt haben. Das bedeu­tet, dass bei einem Umzug wie z.B. hier der Mut­ter in eine ande­re Stadt oder Regi­on, die Zustän­dig­keit des Jugend­am­tes wech­selt. Es wird dann das Jugend­amt in der neu­en Stadt zustän­dig. Indem zum Bei­spiel hier die Mut­ter ihren Wohn­ort wech­selt, begrün­det sie auch eine neue Lebens­si­tua­ti­on. Wich­tig ist, dass der neue Wohn­ort auch ihr neu­er Lebens­mit­tel­punkt (= gewöhn­li­cher Auf­ent­halt) sein soll, der nicht nur für ein paar Wochen gedacht ist. Die Bewer­tung der nun neu­en Lebens­si­tua­ti­on und deren Aus­wir­kun­gen auf die Erzie­hungs­leis­tung der Mut­ter ist die Auf­ga­be des nun neu-zustän­di­gen Jugend­am­tes. Wech­selt die Zustän­dig­keit des Jugend­am­tes, so bleibt das bis­he­ri­ge Jugend­amt so lan­ge für die Fami­lie zustän­dig, bis das neue, zustän­di­ge Jugend­amt offi­zi­ell übernimmt.

Vom Gesetz her hat die Mut­ter den Anspruch, dass die Sozi­al­päd­ago­gi­sche Fami­li­en­hil­fe bis zu einer Ent­schei­dung durch das neu-zustän­di­ge Jugend­amt fort­ge­setzt wird. Aber die­ses Recht stößt an sei­ne Gren­zen, wenn zum Bei­spiel der neue Wohn­ort außer­halb des Tätig­keits­be­rei­ches des Trä­gers der Sozi­al­päd­ago­gi­schen Fami­li­en­hil­fe liegt und die Fach­kräf­te die Fahrt­we­ge nicht leis­ten kön­nen. Es emp­fiehlt sich, früh­zei­tig mit der Fach­kraft der Fami­li­en­hil­fe und dem noch-zustän­di­gen Jugend­amt abzu­spre­chen, ob und wie eine Über­brü­ckung der Hil­fe­leis­tung ermög­licht wer­den kann. Dies steht in § 86 SGB VIII.

3.5. Ange­bo­te der Jugend­hil­fe: Ich bin als Mut­ter manch­mal ein­fach über­for­dert mit Haus­halt, Kin­dern und eige­ner Arbeit. Kann ich mich ans Jugend­amt wen­den und kön­nen die mir wirk­lich helfen?

Sie kön­nen sich an das Jugend­amt wen­den. Grund­le­gen­de Auf­ga­be der Jugend­hil­fe ist es, Eltern und ande­re Erzie­hungs­be­rech­tig­te bei der Erzie­hung zu bera­ten und zu unter­stüt­zen. Die­ses Ziel soll durch ein­zel­ne Leis­tun­gen der Jugend­hil­fe in Form von Ange­bo­ten erreicht wer­den. Eltern kön­nen für ihre Kin­der eine Hil­fe zur Erzie­hung bean­tra­gen, wenn sie sich zeit­wei­se über­for­dert füh­len und sie sich Sor­gen um die wei­te­re Ent­wick­lung ihrer Kin­der machen. Es gibt ver­schie­de­ne ambu­lan­te, teil- und sta­tio­nä­re Hilfsangebote.

In einem Bera­tungs­ter­min kann man Ihren Hil­fe­be­darf ermit­teln und Sie bera­ten, wel­che Hil­fe für Sie not­wen­dig und geeig­net ist. Sie haben das Recht, dass Ihre Wün­sche bei der Wahl der Hil­fe berück­sich­tigt werden.

3.6. Hil­fe in Not­si­tua­ti­on: Ich muss für 3 Wochen ins Kran­ken­haus. Wie kann die Ver­sor­gung der Kin­der gere­gelt wer­den? Muss das Jugend­amt mir eine Haus­halts­hil­fe stellen?

Haus­halts­hil­fe: Nach §38 SGB V:

Ist eine Wei­ter­füh­rung des Haus­halts wegen eines Kran­ken­haus­auf­ent­halts nicht mög­lich, erhal­ten Müt­ter und Väter in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung eine Haus­halts­hil­fe. Vor­aus­set­zung hier­für ist, dass im Haus­halt ein Kind lebt, wel­ches das zwölf­te Lebens­jahr noch nicht voll­endet hat. Für die Antrags­stel­lung bei der Kran­ken­kas­se ist eine Beschei­ni­gung des behan­deln­den Arz­tes über die medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit einer Haus­halts­hil­fe erforderlich.

In Abgren­zung zu §20 SGB VIII:

Eltern haben einen Anspruch auf eine Unter­stüt­zung in All­tags­si­tua­tio­nen, in denen eine Ver­sor­gung und Betreu­ung des Kin­des nicht sicher­ge­stellt wer­den kann. Ziel ist es, den fami­liä­ren Lebens­raum für das Kind zu erhal­ten. Dem­nach soll ver­hin­dert wer­den, dass das Kind außer­halb der Fami­lie unter­ge­bracht wer­den soll, obwohl kein erzie­he­ri­scher Bedarf besteht. Hier­bei rich­ten sich die Art und Wei­se, sowie der zeit­li­che Umfang nach dem Bedarf im Einzelfall.

Eltern haben einen Anspruch auf Unter­stüt­zung bei der Betreu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des, wenn

  • ein Kind im Haus­halt lebt, dass zu Beginn der Leis­tung das 14. Lebens­jahr noch nicht voll­endet hat.
  • das Eltern­teil, das für die Betreu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des über­wie­gend ver­ant­wort­lich ist, aus gesund­heit­li­chen oder ande­ren zwin­gen­den Grün­den aus­fällt. (ande­re zwin­gen­de Grün­de: Tod, Kur, Inhaf­tie­rung, Entbindung).
  • das Wohl des Kin­des nicht durch den ande­ren Eltern­teil, oder ander­wei­tig gewähr­leis­tet wer­den kann.

Hier­bei stellt eine berufs­be­ding­te Abwe­sen­heit des andern Eltern­teils kei­ne Tat­be­stands­vor­aus­set­zung darf.

4. Mit wel­chen Rechts­mit­teln kön­nen jun­ge Men­schen und ihre Fami­li­en ihre Rech­te kon­kret durchsetzen?

4.1. Wider­spruch: Ich möch­te gegen eine Ent­schei­dung des Jugend­am­tes in Wider­spruch gehen. Wie kann ich das tun?

Ein Wider­spruch muss schrift­lich beim Jugend­amt erho­ben wer­den. Hier gilt eine Frist von 1 Monat, nach­dem der Bescheid bekannt gege­ben wor­den ist. Der Wider­spruch kann per Post oder FAX an das Jugend­amt geschickt wer­den, eine E‑Mail reicht nicht aus. Eine Begrün­dung des Wider­spruchs ist zwar nicht zwin­gend erfor­der­lich. Aller­dings ist eine Begrün­dung sinn­voll, da die Mit­ar­bei­ten­den im Jugend­amt nur dann nach­voll­zie­hen kön­nen, war­um dem Bescheid wider­spro­chen wird und womit man sich nicht ein­ver­stan­den erklärt. Eine Begrün­dung für den Wider­spruch kann auch nach­ge­reicht werden. 

Möch­te man den Wider­spruch nicht selbst schrei­ben, kann die­ser auch direkt beim Jugend­amt zu Pro­to­koll gege­ben wer­den. Das bedeu­tet, dass eine Mit­ar­bei­te­rin des Jugend­amts den Wider­spruch aufschreibt.

WICH­TIG: In Nie­der­sach­sen und Sach­sen- Anhalt gibt es kein Wider­spruchs­ver­fah­ren mehr. Hier ist nach Erhalt eines Beschei­des aus­schließ­lich Kla­ge gegen den Bescheid möglich.

4.2. Wider­spruch abge­lehnt: Ich habe Wider­spruch gegen einen Bescheid des Jugend­am­tes ein­ge­legt. Nun kam die Ableh­nung des Wider­spruchs. Was kann ich jetzt noch tun?

Es besteht die Mög­lich­keit, Kla­ge vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt zu erhe­ben. Die Kla­ge muss schrift­lich (das heißt hand­schrift­lich unter­schrie­ben) inner­halb eines Monats nach Zustel­lung des Bescheids bei Gericht ein­ge­reicht wer­den. Der Wider­spruchs­be­scheid des Jugend­am­tes muss eine soge­nann­te Rechts­be­helfs­be­leh­rung ent­hal­ten, in der genau auf­ge­führt ist, wel­ches Gericht ört­lich zustän­dig ist und in wel­cher Form und Frist die Kla­ge ein­zu­rei­chen ist. Soll­te der Bescheid am Ende kei­ne oder eine unrich­ti­ge Rechts­be­helfs­be­leh­rung ent­hal­ten, so kann die Kla­ge inner­halb eines Jah­res ein­ge­reicht werden.

Kla­gen wer­den vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt ein­ge­reicht und sind erfreu­li­cher­wei­se gerichtskostenfrei. 

Eine Kla­ge vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt wegen eines abge­lehn­ten Leis­tungs­an­trags ist nur mög­lich, wenn zuvor ein Wider­spruch ein­ge­legt wor­den ist. Die­ses Vor­ver­fah­ren ist unbe­dingt einzuhalten!

WICH­TIG: In den Bun­des­län­dern Sach­sen-Anhalt und Nie­der­sach­sen ist das Wider­spruchs­ver­fah­ren abge­schafft wor­den. Das bedeu­tet, es muss sofort nach einem ableh­nen­den Bescheid Kla­ge ein­ge­reicht wer­den, wenn man das will.

Es besteht kei­ne Anwalts­pflicht für Kla­ge­ver­fah­ren vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt. Zudem gibt es die Mög­lich­keit, die Kla­ge zu Pro­to­koll bei Gericht zu erhe­ben. Dies bedeu­tet, dass ein Urkunds­be­am­ter des Gerichts die Kla­ge­schrift ver­fasst und die­se dann direkt bei Gericht ein­ge­reicht wird.

Das Gerichts­ver­fah­ren selbst ist zwar gerichts­kos­ten­frei. Die Anwäl­tin dage­gen kann etwas kos­ten. Es gibt die Mög­lich­keit, bei Gericht Pro­zess­kos­ten­hil­fe zu bean­tra­gen, mit der die Kos­ten der Anwäl­tin abge­deckt sind. Pro­zess­kos­ten­hil­fe wird vom Gericht nur dann bewil­ligt, wenn es der Ansicht ist, dass die Kla­ge genü­gend Aus­sicht auf Erfolg hat und das Ein­kom­men nicht aus­reicht, um die Pro­zess­kos­ten selbst zu tra­gen. All dies soll­te im Vor­hin­ein, also vor Ein­rei­chung der Kla­ge, aus­führ­lich mit der Anwäl­tin bespro­chen werden.

Ein­kom­mens­schwa­che Bür­ge­rin­nen haben die Mög­lich­keit für eine rechts­an­walt­li­che Erst­be­ra­tung einen Bera­tungs­schein (in Bre­men gibt es kei­nen Bera­tungs­schein, hier kann man sich an die Rechts­be­ra­tungs­stel­le beim Amts­ge­richt Bre­men wen­den) zu bean­tra­gen. Die Kos­ten wer­den dann bis auf eine Gebühr von 15,-€ über­nom­men. Die meis­ten Ombuds­stel­len kön­nen Rechts­an­wäl­tin­nen emp­feh­len, die im Kin­der- und Jugend­hil­fe­recht spe­zia­li­siert sind. Eini­ge Ombuds­stel­len über­neh­men auch in eini­gen Fäl­len Kos­ten für eine Rechtsanwältin.

4.3. Akten: Ich bin Mut­ter und bekom­me Hil­fe zur Erzie­hung. Ich ver­mu­te, dass in mei­nen Akten viel Schlech­tes über mich steht. Wie kann ich her­aus­fin­den, was da geschrie­ben steht?

Das ist tat­säch­lich nicht so ein­fach. Bei den Infor­ma­tio­nen, die in den Akten des Jugend­amts zu fin­den sind, han­delt es sich regel­mä­ßig um soge­nann­te „Sozi­al­da­ten“, die unter beson­de­rem Schut­ze ste­hen. Grund dafür ist die beson­ders hohe Sen­si­bi­li­tät die­ser Daten, die ja – wir sind beim Jugend­amt – in der Regel auch Kin­der betref­fen. Der beson­de­re Schutz dient also dem Min­der­jäh­ri­gen­schutz. In § 65 Abs. 1 SGB VIII ist des­halb gere­gelt, dass Sozi­al­da­ten, die Mit­ar­bei­ten­de eines Trä­gers der öffent­li­chen Jugend­hil­fe (also dem Jugend­amt) zum Zwe­cke per­sön­li­cher oder erzie­he­ri­scher Hil­fe anver­traut wor­den sind, nur mit Ein­wil­li­gung des­sen, der die Daten anver­traut hat, oder im Fal­le von Kin­des­wohl­ge­fähr­dung dem Fami­li­en­ge­richt oder ande­ren Fach­kräf­ten wei­ter­ge­ge­ben wer­den dür­fen. Da das Jugend­amt so gut wie immer zu dem Zwe­cke auf­ge­sucht wird, dass es einem bei der Erzie­hung mit Min­der­jäh­ri­gen oder der Aus­ein­an­der­set­zung zum Bei­spiel mit dem ande­ren Eltern­teil – aber auch bezo­gen auf ein Kind – Unter­stüt­zung gibt, kann so ziem­lich jede Infor­ma­ti­on in den Jugend­amts­ak­ten als beson­ders ver­trau­ens­wür­dig ein­ge­stuft wer­den. Hin­zu kommt, dass es das Jugend­amt selbst ist, wel­che die Ein­schät­zung, ob die Daten beson­ders ver­trau­ens­wür­dig sind oder nicht, vor­nimmt und eine gericht­li­che Kon­trol­le nicht existiert.

Das heißt nicht, dass man gar kei­nen Zugang zu irgend­wel­chen Doku­men­ten hat. So sind einem als betrof­fe­nem Eltern­teil zum Bei­spiel die Pro­to­kol­le über die Hil­fe­plan­ge­sprä­che aus­zu­hän­di­gen oder die regel­mä­ßi­gen Berich­te der frei­en Trä­ger, mit denen man bis­her zusam­men­ge­ar­bei­tet hat. Aber ein „Rund­um­blick“ in die Akten ist einem nicht möglich.

4.4. Hil­fe­ge­wäh­rung: Als Vater habe ich schon mehr­fach einen Antrag auf Hil­fe zur Erzie­hung gestellt. Aber immer sagt das Jugend­amt, ich sol­le mir Erzie­hungs­be­ra­tung holen. Das reicht mir aber nicht. Was kann ich tun?

Wenn das Jugend­amt die Hil­fen, die man bean­tragt, nicht gewäh­ren möch­te und einen mit dem Ver­weis auf Erzie­hungs­be­ra­tung hin­hält, dann soll­te man dem Jugend­amt klar und deut­lich eine Frist set­zen, bis zu der sie den Antrag durch einen schrift­li­chen Bescheid abge­lehnt haben. Soll­te das Jugend­amt die­ser Auf­for­de­rung nach­kom­men und die bean­trag­te Hil­fe ableh­nen, kann inner­halb eines Monats Wider­spruch dage­gen ein­ge­legt wer­den. In die­sem Wider­spruch kann noch ein­mal aus­führ­lich begrün­det wer­den, wes­halb die bean­trag­te Hil­fe zur Erzie­hung benö­tigt wird und als die not­wen­di­ge und geeig­ne­te Hil­fe betrach­tet wird.

Soll­te der Hil­fe­be­darf wirk­lich drin­gend sein, kann gleich­zei­tig mit dem Wider­spruch beim Ver­wal­tungs­ge­richt ein Eil­an­trag auf Bewil­li­gung der Hil­fe gestellt wer­den. Da dies ein recht kom­pli­zier­tes Ver­fah­ren ist, ist die Inan­spruch­nah­me von anwalt­li­cher Hil­fe in die­sem Fall rat­sam. Zwin­gend ist dies jedoch nicht, da es kei­nen Anwalts­zwang vor den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten gibt.

Soll­te das Jugend­amt bis zu der gesetz­ten Frist wei­ter­hin kei­nen Bescheid erlas­sen, dann ist eben­falls die Ein­le­gung eines Eil­an­trags beim Ver­wal­tungs­ge­richt auf Bewil­li­gung der bean­trag­ten Hil­fe mög­lich. Gera­de bei den Hil­fen zur Erzie­hung braucht man nicht „ewig“ auf einen Bescheid vom Jugend­amt zu war­ten. Es ist all­ge­mein aner­kannt, dass Jugend­hil­fe­leis­tun­gen in der Regel sofort not­wen­dig sind und kei­nen lan­gen Auf­schub erlauben.

Hin­weis: Die Erzie­hungs­be­ra­tung ist nicht bescheid­pflich­tig und kann auch ohne Antrag beim Jugend­amt kos­ten­frei in Anspruch genom­men werden.

5. Betei­li­gung und Mit­be­stim­mung in den Hil­fen zur Erziehung

5.1. Wel­che Mit­be­stim­mungs­rech­te haben jun­ge Men­schen und Fami­li­en eigent­lich in den Hil­fen zur Erziehung?

Das Sozi­al­ge­setz­buch VIII (SGB VIII) kennt vie­le Betei­li­gungs­rech­te. Die­se wur­den durch das KJSG (Kin­der- und Jugend­stär­kungs­ge­setz) noch ein­mal gestärkt. Es gibt meh­re­re Vor­ga­ben, in denen das Recht der jun­gen Men­schen und ihrer Fami­li­en an der Gestal­tung der Hil­fe mit­zu­wir­ken, ver­an­kert ist. Es ist nur gemein­sam mit den Betrof­fe­nen mög­lich, pass­ge­naue Per­spek­ti­ven zu ent­wi­ckeln, um auf das Errei­chen gesteck­ter Zie­le hin­zu­wir­ken. Das wird durch das Gesetz auf­ge­grif­fen und untermauert.

Zen­tra­le Punk­te sind:

  • 36 SGB VIII: Betei­li­gung bei der Hil­fe­pla­nung (Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­gen 5.2., 5.3., 5.4.)
  • 5 SGB VIII: Wunsch- und Wahl­recht (Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­gen 5.5., 5.6.)
  • 8 SGB VIII: Betei­li­gung von Kin­dern und Jugend­li­chen (Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­gen 5.7., 5.8.)

5.2. Hil­fe­plan­ge­spräch: Mein Kind lebt in einer Pfle­ge­fa­mi­lie. Ich wer­de zu Hil­fe­plan­ge­sprä­chen nicht ein­ge­la­den. Ist das rechtens?

Wenn ein jun­ger Mensch in einer Pfle­ge­fa­mi­lie lebt, sind die leib­li­chen Eltern zu Hil­fe­plan­ge­sprä­chen ein­zu­la­den. Der Kon­takt zu den leib­li­chen Eltern ist für jun­ge Men­schen zur Aus­ein­an­der­set­zung mit der eige­nen Geschich­te und für die Ent­wick­lung der eige­nen Iden­ti­tät von Bedeu­tung. Die­ses Recht des jun­gen Men­schen muss von allen Betei­lig­ten berück­sich­tigt wer­den. Wenn das Jugend­amt einen jun­gen Men­schen in Voll­zeit­pfle­ge (Pfle­ge­fa­mi­lie) ver­mit­telt, muss ein Hil­fe­plan nach § 36 SGB VIII erar­bei­tet wer­den. Dazu gehö­ren auch regel­mä­ßig statt­fin­den­de Hil­fe­plan­ge­sprä­che. Bei der gesam­ten Hil­fe­pla­nung sind die Eltern, die Pfle­ge­el­tern und der jun­ge Mensch ange­mes­sen zu betei­li­gen und einzubeziehen.

Für sor­ge­be­rech­tig­te Eltern gilt: grund­sätz­lich haben sie das Recht an den Hil­fe­plan­ge­sprä­chen teil­zu­neh­men und müs­sen zu die­sen ein­ge­la­den werden.

Für nicht­sor­ge­be­rech­tig­ten Eltern gilt: sie sind in der Regel zur Bedarfs­fest­stel­lung zu beteiligen.

5.3. Zwang zur Unter­schrift: Ich muss immer den Hil­fe­plan sofort unter­schrei­ben. Ist das rechtens?

Es ist im Gesetz nicht vor­ge­schrie­ben, dass der Hil­fe­plan unter­schrie­ben wer­den muss, des­halb besteht kein Zwang zur Unter­schrift. Aller­dings ist es üblich, den Hil­fe­plan zu unter­schrei­ben. Auch wenn ein Hil­fe­plan unter­schrie­ben wur­de, ent­fal­tet er kei­ne Wir­kung für alle Zeit. Er wird in der Regel halb­jähr­lich hin­sicht­lich der Geeig­ne­t­heit und Not­wen­dig­keit der gewähl­ten Maß­nah­me über­prüft (§ 36 Abs.2 S. 2 SGB VIII).

Auf jeden Fall hat man das Recht, den Hil­fe­plan mit nach Hau­se zu neh­men und in Ruhe zu lesen. Er kann dann inner­halb einer ange­mes­se­nen Zeit zurück­ge­schickt wer­den (1–2 Wochen).

5.4. Über­set­ze­rin: Ich stam­me nicht aus Deutsch­land und brau­che bei Hil­fe­plan­ge­sprä­chen eine Über­set­ze­rin. Muss das Jugend­amt das zahlen? 

Ja, das Jugend­amt ist in der Pflicht dafür zu sor­gen, dass bei den Hil­fe­plan­ge­sprä­chen eine Sprachmittlerin/​Dol­met­sche­rin über­set­zen kann und muss auch die Kos­ten tra­gen. Auch für gehör­lo­se Men­schen müs­sen Gebär­den­dol­met­sche­rin­nen bewil­ligt wer­den. Im Übri­gen hat die Bera­tung und Auf­klä­rung in ver­ständ­li­cher, nach­voll­zieh­ba­rer und wahr­nehm­ba­rer Form zu erfol­gen (§ 36 Abs. 1 S. 2 SGB VIII).

5.5. a) Mein Kind soll ins Heim. Das Jugend­amt hat mir zwei Wohn­grup­pen vor­ge­schla­gen, zwi­schen denen ich wäh­len soll. Die will ich nicht. Kann ich wei­te­re Wohn­grup­pen anschau­en? b) Ich soll mit mei­nem Kind in eine Mut­ter-Kind-Ein­rich­tung. Ich bin bereit dazu, will aber eine ande­re Ein­rich­tung als das Jugend­amt. Darf ich auswählen?

Ja, das ist durch­aus mög­lich. Sowohl die Eltern, die jun­gen Men­schen die in eine Wohn­grup­pe oder Mut­ter/­Va­ter- Kind Ein­rich­tung wol­len, dür­fen eige­ne Vor­schlä­ge machen. Die gewünsch­te Ein­rich­tung muss die glei­che Hil­fe anbie­ten, wie die vom Jugend­amt gewähl­te und darf nicht unver­hält­nis­mä­ßig teu­rer sein. Auch wenn die Wer­tung im Ein­zel­fall ent­schei­det, wer­den in der Pra­xis in der Regel Mehr­kos­ten von bis zu 20% als ver­hält­nis­mä­ßig anerkannt. 

In § 5 SGB VIII ist das Recht der Leis­tungs­be­rech­tig­ten fest­ge­hal­ten, zwi­schen Ein­rich­tun­gen und Diens­ten ver­schie­de­ner Trä­ger wäh­len und Wün­sche hin­sicht­lich der Gestal­tung der Hil­fe äußern zu kön­nen. Es geht im Kern um die Fra­ge des „wie“ der Hil­fe. Die Ent­schei­dung über das „ob“ und damit zumeist auch die Art der Leis­tung, auf die ein Anspruch besteht, wird bereits vor­her im Rah­men des koope­ra­ti­ven Ver­stän­di­gungs­pro­zes­ses der Hil­fe­pla­nung getrof­fen. Das Jugend­amt ist ver­pflich­tet, die Leis­tungs­be­rech­tig­ten hier­über aktiv aufzuklären.

Das Jugend­amt ist ver­pflich­tet, der Wahl zwi­schen Ein­rich­tun­gen und Diens­ten ver­schie­de­ner Trä­ger bzw. dem Wunsch hin­sicht­lich der Gestal­tung der Hil­fe zu fol­gen, sofern kein aty­pi­scher Ein­zel­fall vor­liegt. Es han­delt sich dabei um eine soge­nann­te „Soll“-Regelung. Das bedeu­tet, dass das Jugend­amt dar­le­gen muss, war­um es den Wunsch nicht berück­sich­tigt. Wenn sich Leis­tungs­be­rech­tig­te und Fach­kraft einig sind, wel­che Hil­fe im Ein­zel­fall geeig­net und erfor­der­lich ist, spielt der Mehr­kos­ten­vor­be­halt hin­ge­gen kei­ne Rolle.

5.6. Wunsch- und Wahl­recht: Unser Kind ist einem Heim unter­ge­bracht, mit dem wir unzu­frie­den sind. Auch unser Kind möch­te dort nicht mehr woh­nen. Was kön­nen wir tun?

Die Ent­schei­dung, in wel­chem Heim das eige­ne Kind wohnt und unter­ge­bracht ist, trifft das zustän­di­ge Jugend­amt unter Berück­sich­ti­gung des Wunsch- und Wahl­rechts der Sor­ge­be­rech­tig­ten. Wenn man selbst als Sor­ge­be­rech­tig­te oder das Kind oder wie in die­sem Fall alle mit dem Heim unzu­frie­den sind, soll­te man sicher­lich zuerst ein­mal das Gespräch mit der Heim­lei­tung suchen. Mög­li­cher­wei­se las­sen sich auf die­se Wei­se die Stei­ne des Ansto­ßes bereits zur Sei­te räu­men. Die­ses Gespräch kann auch unter Hin­zu­zie­hung des Jugend­am­tes erfolgen.

Wenn also der Wunsch nach einem Wech­sel des Heims bestehen bleibt, muss zwin­gend ein Gespräch mit dem Jugend­amt statt­fin­den, wel­ches von der Not­wen­dig­keit des Wech­sels zu über­zeu­gen ist. Manch­mal kann das Jugend­amt die Not­wen­dig­keit eines Wech­sels nicht gleich erken­nen. Es ist dann in jedem ein­zel­nen Fall abzu­wä­gen, wie man das Jugend­amt von die­ser Not­wen­dig­keit über­zeugt. Grund­le­gend ist, auch bei dem Wunsch eines Wech­sels der Ein­rich­tung auf das Wunsch- und Wahl­recht nach § 5 SGB VIII und § 37c Abs. 3 SGB VIII hinzuweisen.

Soll­te sich andeu­ten, dass es hin­sicht­lich des Wun­sches auf einen Wech­sel des Heims oder einer sons­ti­gen Hil­fe beim Jugend­amt schwie­rig wer­den könn­te, wird emp­foh­len, sich an eine der mitt­ler­wei­le in fast jedem Bun­des­land exis­tie­ren­den Ombuds­stel­len der Kin­der- und Jugend­hil­fe zu wen­den, um dort Unter­stüt­zung um zu bit­ten (www.ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen).

5.7. Betei­li­gung: Mei­ne Toch­ter lebt in einem Heim. Sie ist 10 Jah­re alt und darf nicht an den Hil­fe­plan­ge­sprä­chen teil­neh­men. Ist das rechtens?

Kin­der sind ent­spre­chend ihres Ent­wick­lungs­stan­des zu betei­li­gen. Das Jugend­amt soll­te das Betei­li­gungs­recht von jun­gen Men­schen im Pro­zess der Hil­fe­maß­nah­me för­dern und unter­stüt­zen. Je nach Alter kön­nen auch schon jün­ge­re Kin­der zum Bei­spiel 6‑jährige betei­ligt wer­den. Ihre Vor­stel­lun­gen und Anlie­gen soll­ten mit­be­rück­sich­tigt wer­den. Da im Hil­fe­plan­ge­spräch wich­ti­ge The­men für den Hil­fe­ver­lauf bespro­chen wer­den, sind Kin­der dar­in Mit­ge­stal­ter und soll­ten bei der Pla­nung und Durch­füh­rung mit­wir­ken. Kin­der haben das Recht dar­auf, ihre Wün­sche und Vor­stel­lun­gen ein­zu­brin­gen, dies muss nicht zwangs­läu­fig im Hil­fe­plan­ge­spräch pas­sie­ren. (§ 36 SGB VIII Mit­wir­kung Hilfeplan).

Die Betei­li­gung und Bera­tung von Kin­dern und Jugend­li­chen muss nach § 8Abs.4 SGB VIII in einer für sie ver­ständ­li­chen, nach­voll­zieh­ba­ren und wahr­nehm­ba­ren Form erfol­gen, die­ses Recht erstreckt sich auch auf die für die Ent­schei­dung maß­geb­li­chen Grün­de. Min­der­jäh­ri­ge habe ein Recht auf Äuße­rung, ob und wie­weit sie sich ein­brin­gen, ist ihnen über­las­sen. Durch alters­ge­rech­te Metho­den und Unter­stüt­zung ist ihnen hier­für jedoch die Mög­lich­keit zu bereiten.

5.8. Mit­be­stim­mung: Ich habe das Sor­ge­recht für mei­ne Kin­der. Das Jugend­amt will, dass ich Hil­fe anneh­me. Ich will das nicht. Muss ich Hil­fe annehmen?

Wenn die Eltern das Sor­ge­recht haben, ent­schei­den sie auch, wel­che Leis­tung sie beim Jugend­amt bean­tra­gen wol­len. Die Mit­ar­bei­ten­den des Jugend­amts kön­nen im Rah­men ihrer Bera­tung ver­schie­de­ne Hil­fen vor­schla­gen und emp­feh­len, aber sie kön­nen nie­man­den zwin­gen, die­se dann auch zu bean­tra­gen und anzunehmen.

Auch kön­nen Mit­ar­bei­ten­de des Jugend­am­tes kei­ne Auf­la­gen machen, wel­che die Eltern oder der jun­ge Mensch erfül­len müs­sen. Wenn Mit­ar­bei­ten­de des Jugend­am­tes der Mei­nung sind, dass eine Leis­tung der Kin­der- und Jugend­hil­fe zwin­gend gebo­ten ist, ‑ein Kind muss zum Bei­spiel in einer Wohn­grup­pe unter­ge­bracht wer­den, oder eine sozi­al­päd­ago­gi­sche Fami­li­en­hil­fe ist zwin­gend not­wen­dig,- so muss das Jugend­amt sich an das Fami­li­en­ge­richt wen­den und dort nach­wei­sen, dass das Kin­des­wohl gefähr­det ist, wenn die Hil­fe nicht durch die Sor­ge­be­rech­tig­ten bean­tragt und ange­nom­men wird. 

5.9. Fami­li­en­hil­fe kei­ne Hil­fe: Wir haben eine Fami­li­en­hil­fe. Die ist uns aber kei­ne gro­ße Hil­fe, son­dern sie kri­ti­siert uns nur. Ist das so in Ordnung?

Nein, das ist so nicht in Ord­nung. Aus­ge­hend von einer gemein­sa­men Hil­fe­pla­nung (§ 36 SGB VIII), in der — mög­lichst vor Beginn der Hil­fe — mit­ein­an­der Zie­le ver­ein­bart wur­den, aus der sich dann auch die Auf­ga­ben der Fami­li­en­hil­fe erge­ben, lässt sich recht gut beur­tei­len, ob die Tätig­keit der Fami­li­en­hil­fe eine Unter­stüt­zung dabei ist, die­se Zie­le zu errei­chen. Nur Kri­tik sei­tens der Fami­li­en­hil­fe kann dabei nicht hilf­reich sein. Wenn es nicht gelingt, die­se Fra­ge mit der Fami­li­en­hil­fe zu klä­ren, dann ist eine Beschwer­de beim Trä­ger mög­lich, um den Kon­flikt zu klä­ren. Die­ser könn­te zum Bei­spiel einen Mit­ar­bei­te­rin­nen­wech­sel initi­ie­ren. Eine ande­re Mög­lich­keit ist, die Schwie­rig­kei­ten dem Jugend­amt mit­zu­tei­len, die­ses könn­te als eine Mög­lich­keit einen ande­ren Trä­ger mit der Fami­li­en­hil­fe beauf­tra­gen. Nahe­lie­gend wäre dar­über mit­ein­an­der zu reden, zuerst mit der Fami­li­en­hil­fe und, soll­te das nicht wei­ter­füh­ren, mit dem Jugend­amt. Dabei soll­te gut benannt wer­den, wie die Tätig­keit der Fami­li­en­hil­fe emp­fun­den wird, wel­che Antei­le auch als hilf­reich emp­fun­den wer­den, und was fehlt. Zum Bei­spiel könn­te die Aner­ken­nung dafür feh­len, was man bereits gut macht. Zugleich soll­te die Tätig­keit der Fami­li­en­hil­fe trans­pa­rent und nach­voll­zieh­bar sein — und immer auch eine wert­schät­zen­de Hal­tung ver­mit­teln. Manch­mal pas­sen aber auch Fami­lie und Fami­li­en­hil­fe ein­fach nicht zusam­men. Dann blie­be die Mög­lich­keit sei­tens des Trä­gers oder des Jugend­am­tes, eine ande­re Fami­li­en­hil­fe zu beauf­tra­gen. Bes­ten­falls geschieht dies nach einer gemein­sa­men Erör­te­rung, in der alle Betei­lig­ten die­sen Schritt — ohne Schuld­zu­wei­sun­gen — mit­ein­an­der vereinbaren.

5.10. Hil­fe­ver­wei­ge­rung: Ich bin gera­de im Kin­der- und Jugend­not­dienst. Nun will ich in eine WG, das Jugend­amt sagt aber, dass ich nach Hau­se zum Vater zurück­keh­ren soll. Der ist aber gewalt­tä­tig. Das will ich nicht. Was kann ich tun? 

In die­sem Fall gibt es ver­schie­de­ne Hand­lungs­mög­lich­kei­ten für min­der­jäh­ri­ge Betroffene:

Es besteht zuerst ein­mal die Mög­lich­keit, sich selbst an ein Fami­li­en­ge­richt zu wen­den (§ 24 FamFG). Dabei kann es hilf­reich sein, wenn eine Ver­trau­ens­per­son oder Ombuds­stel­le die betrof­fe­ne min­der­jäh­ri­ge Per­son unterstützt.

Neben der Mög­lich­keit sich an ein Fami­li­en­ge­richt zu wen­den, kön­nen Min­der­jäh­ri­ge auch selbst der Been­di­gung der Inob­hut­nah­me wider­spre­chen. Auch bei der For­mu­lie­rung des Wider­spruchs kann eine Ver­trau­ens­per­son oder eine Ombuds­stel­le helfen.

Ist der Weg über einen Wider­spruch nicht erfolg­reich, gibt es auch die Mög­lich­keit durch eine soge­nann­te Selbst­mel­dung (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) eine erneu­te in Inob­hut­nah­me und damit eine Schutz­ge­wäh­rung auszulösen.

6. Die Hil­fe soll enden? — Was kann ich tun?

6.1. Hil­fe­en­de: Unse­re Fami­li­en­hil­fe soll been­det wer­den gegen mei­nen Wil­len. Was kann ich tun?

Wenn die Vor­aus­set­zun­gen für eine sozi­al­päd­ago­gi­sche Fami­li­en­hil­fe gege­ben sind, besteht grund­sätz­lich ein durch­setz­ba­rer Anspruch (zur kon­kre­ten Durch­set­zung sie­he Fra­gen 4.1. und 4.2.) dar­auf. Dies bedeu­tet vor allem, dass die Fami­li­en­hil­fe geeig­net und not­wen­dig sein muss, die Fami­lie in ihren Erzie­hungs­auf­ga­ben zu unter­stüt­zen. Zu der Dau­er einer Fami­li­en­hil­fe legt § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII fest, dass die Fami­li­en­hil­fe „auf län­ge­re Dau­er“ ange­legt ist.

7. Umgangs- und Sorgerecht

7.1. Umgang: Mein Kind lebt bei mei­ner Ex-Part­ne­rin. Ich möch­te mehr Umgang. Was kann ich tun?

Grund­sätz­lich hat jeder Eltern­teil das Recht zum Umgang mit sei­nem Kind (§ 1684 Abs. 1 BGB). Dies ist unab­hän­gig davon, ob Sie das Sor­ge­recht haben. Im Sin­ne des Kin­des ist es immer von Vor­teil, eine ein­ver­nehm­li­che Lösung zu fin­den. Manch­mal ist es hilf­reich, sich für die­se Gesprä­che Unter­stüt­zung zu suchen. Die­se fin­den Sie je nach Bun­des­land zum Bei­spiel bei Erzie­hungs- und Fami­li­en­be­ra­tungs­stel­len. Soll­te die Bera­tung dort nicht zu einer Klä­rung füh­ren, kön­nen Sie sich auch an das Jugend­amt wenden.

Das Jugend­amt berät eben­falls in Umgangs­fra­gen und unter­stützt bei der Aus­übung des Umgangs­rechts (§ 18 Abs. 3 S. 3 SGB VIII).

Soll­ten die­se Ver­su­che schei­tern, kön­nen Sie sich an das Fami­li­en­ge­richt wen­den. Das Fami­li­en­ge­richt kann den Umfang des Umgangs­rechts sowie sei­ne Aus­übung näher regeln (§ 1684 Abs. 3 und 4 BGB).

7.2. Beglei­te­ter Umgang: Der Vater mei­ner Toch­ter soll beglei­te­ten Umgang bekom­men. Dafür ist ein Trä­ger aus­ge­sucht wor­den. Ich wür­de aber gern einen ande­ren Trä­ger neh­men. Was kann ich tun?

Nach § 5 SGB VIII haben die Leis­tungs­be­rech­tig­ten das Recht, zwi­schen Ein­rich­tun­gen und Diens­ten ver­schie­de­ner Trä­ger zu wäh­len und Wün­sche hin­sicht­lich der Gestal­tung der Hil­fe zu äußern (Wunsch- und Wahl­recht). Das Jugend­amt hat gemäß § 5 Abs. 1 Satz SGB VIII auf das Wunsch- und Wahl­recht hin­zu­wei­sen. Dies bedeu­tet, dass das Jugend­amt sich hier an dem Wunsch der Eltern ori­en­tie­ren soll­te und prü­fen muss, ob der von den Eltern vor­ge­schla­ge­ne Trä­ger mit dem beglei­te­ten Umgang beauf­tragt wer­den kann.

Das Wunsch- und Wahl­recht kann aus Kos­ten­grün­den ein­ge­schränkt wer­den, sofern unver­hält­nis­mä­ßi­ge Mehr­kos­ten entstehen.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 5.5. und 5.6.

7.3. Beglei­te­ter Umgang: Ich möch­te beglei­te­ten Umgang mit mei­nem Kind. Das Jugend­amt unter­stützt mich aber nicht dabei. Was kann ich tun?

Es emp­fiehlt sich, zunächst noch ein­mal das Gespräch mit dem Jugend­amt zu suchen und gege­be­nen­falls auch schrift­lich einen Antrag auf beglei­te­ten Umgang zu stel­len. Soll­te das Jugend­amt wei­ter­hin kei­ne Unter­stüt­zung leis­ten und kei­nen Trä­ger für die beglei­te­ten Umgän­ge suchen, besteht die Mög­lich­keit, einen Antrag auf beglei­te­ten Umgang beim Fami­li­en­ge­richt zu stel­len. Das Fami­li­en­ge­richt kann ent­schei­den, dass beglei­te­te Umgän­ge stattfinden.

Aller­dings sucht das Fami­li­en­ge­richt nicht selbst einen Trä­ger der Kin­der- und Jugend­hil­fe aus, der die beglei­te­ten Umgän­ge durch­führt. Die­se Auf­ga­be liegt wei­ter­hin beim Jugend­amt, wel­ches einen Trä­ger für den beglei­te­ten Umgang sucht. Soll­te das Jugend­amt nicht in ange­mes­se­ner Zeit einen Trä­ger fin­den, so kön­nen Sie sich an das Ver­wal­tungs­ge­richt wenden.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: Sie­he auch Fra­ge 7.2. und 7.4

7.4. Beglei­te­ter Umgang: Ich habe mich von mei­nem Mann getrennt. Die Kin­der leben bei ihm. Das Fami­li­en­ge­richt hat beglei­te­te Umgän­ge ange­ord­net. Aber es tut sich nichts. Das Jugend­amt han­delt nicht. Was kann ich tun?

Zunächst soll­te beim Jugend­amt nach­ge­fragt wer­den, was das Jugend­amt bereits unter­nom­men hat und aus wel­chem Grund noch immer kein beglei­te­ter Umgang statt­fin­den konn­te. Das Jugend­amt kann die beglei­te­ten Umgän­ge selbst durch­füh­ren oder einen Trä­ger der Jugend­hil­fe damit beauf­tra­gen. Es emp­fiehlt sich nach­zu­fra­gen, bei wel­chen Trä­gern das Jugend­amt ange­fragt hat und ob es Sie dort auf die War­te­lis­te gesetzt hat, falls aktu­ell kein frei­er Platz zur Ver­fü­gung steht. Wenn sich dar­auf­hin nichts tut, kann das Fami­li­en­ge­richt dar­über infor­miert wer­den, dass die ange­ord­ne­ten beglei­te­ten Umgän­ge immer noch nicht statt­fin­den konn­ten. Das Gericht kann aller­dings selbst kei­nen Jugend­hil­fe­trä­ger beauf­tra­gen, da dies allein in den Auf­ga­ben­be­reich des Jugend­am­tes fällt. Sie kön­nen natür­lich selbst einen Trä­ger suchen und die­sen dem Jugend­amt vor­schla­gen. Soll­te das Jugend­amt gar nicht han­deln, kön­nen Sie sich auch an das Ver­wal­tungs­ge­richt wenden.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: Sie­he auch Fra­ge 7.2.

7.5. Ent­frem­dung: Mein Sohn ist seit einem Jahr in einer Pfle­ge­fa­mi­lie. Umgän­ge fin­den kaum statt. Ich habe das Gefühl, dass mein Sohn mir ent­frem­det wird. Was kann ich tun? 

Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Eltern­teil; jeder Eltern­teil ist zum Umgang mit dem Kind ver­pflich­tet und berechtigt.

Zunächst ist es sinn­voll, zu prü­fen, wel­che Ver­ein­ba­run­gen zu den Umgän­gen zu Beginn der Hil­fe getrof­fen wor­den sind. Im Hil­fe­plan soll­te fest­ge­hal­ten sein, wie oft und unter wel­chen Bedin­gun­gen der Umgang statt­fin­den soll­te. Sind die­se Ver­ein­ba­run­gen heu­te noch stim­mig- und wer­den sie von jeder Sei­te, auch der eige­nen, ein­ge­hal­ten? Unstim­mig­kei­ten, und sei­en sie erst ein­mal nur ein Gefühl, soll­ten benannt wer­den. Der gemein­sa­me Rah­men dafür ist die — in der Regel halb­jähr­li­che — Hil­fe­pla­nung (§ 36 SGB VIII). In der Zwi­schen­zeit ist der Kon­takt zum Jugend­amt mög­lich, nicht nur in sei­ner regeln­den, aus­füh­ren­den Funk­ti­on, auch in sei­ner bera­ten­den. Bestehen­de Abspra­chen zwi­schen allen Betei­lig­ten kön­nen noch ein­mal reflek­tiert und gege­be­nen­falls ver­än­dert oder auch neu ver­ein­bart wer­den. Im Mit­tel­punkt soll­ten dabei die Bedin­gun­gen für eine gelin­gen­de Ent­wick­lung des Kin­des ste­hen. Wer­den die­se von den Betei­lig­ten unter­schied­lich gese­hen, kann eine fach­li­che Sicht/​Bera­tung von außen hilf­reich sein. Die­se kann das Jugend­amt in sei­nem fach­li­chen Netz­werk initi­ie­ren. In Streit­fäl­len kann auch durch eine Emp­feh­lung an das Fami­li­en­ge­richt eine gut­ach­ter­li­che Stel­lung­nah­me ver­an­las­sen. Ganz wich­tig ist, dass auch die Aus­sa­gen des Kin­des mit ein­zu­be­zie­hen ist.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 9.7.

8. Vor­mund­schaft

8.1. Vor­mun­din: Mei­ne Vor­mun­din unter­stützt mich nicht und erlaubt fast nichts. Was kann ich tun?

Dei­ne Vor­mun­din übt das Sor­ge­recht wie ein Eltern­teil aus und ist für Dich ver­ant­wort­lich. Bis Du 18 Jah­re alt bist hat sie die Auf­ga­be, wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen, die Dein Leben betref­fen, zu fäl­len, wie zum Bei­spiel wo Du wohnst, wo Du zur Schu­le gehst oder ob eine ärzt­li­che Behand­lung gemacht wer­den soll (§ 1789 BGB). Die Vor­mun­din soll die Ent­schei­dun­gen so fäl­len, dass Sie für Dei­ne Ent­wick­lung und für Dein Wohl­erge­hen för­der­lich sind. Dei­ne Vor­mun­din ist an dei­ner Seite!

Die Vor­mun­din ist ver­pflich­tet, sich regel­mä­ßig mit Dir per­sön­lich zu tref­fen (§ 1790 Absatz 3 BGB) und wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen mit Dir zu bespre­chen, damit sie Dei­ne Inter­es­sen und Wün­sche kennt und ihre Ent­schei­dung dar­an ori­en­tie­ren kann (§ 1790 Absatz 1 BGB). Je älter und erwach­se­ner Du wirst, des­to mehr muss Dei­ne Vor­mun­din Dei­nen Wunsch nach Eigen­ver­ant­wor­tung und Selbst­stän­dig­keit berück­sich­ti­gen und darf Ent­schei­dun­gen nicht ein­fach über Dei­nen Kopf hin­weg tref­fen (§ 1790 Absatz 2 BGB).

Wenn Du mit einer Ent­schei­dung Dei­ner Vor­mun­din nicht ein­ver­stan­den bist, kannst Du sie nach den Grün­den für die Ent­schei­dung fra­gen. Sie wird Dir ihre Grün­de erklä­ren. In die­sem Gespräch kannst Du auch erklä­ren, was Dir wich­tig ist oder was Du nicht möch­test. Die Vor­mun­din wird ver­su­chen, mit Dir eine Eini­gung zu finden.

Wenn Du Dich bei dem Gespräch mit Dei­ner Vor­mun­din nicht gehört fühlst oder Unter­stüt­zung brauchst, kannst Du eine Per­son, der Du ver­traust, bit­ten mit Dei­ner Vor­mun­din zu spre­chen oder Dich bei Dei­nem Gespräch zu beglei­ten. Das kann jemand aus Dei­ner Wohn­grup­pe, Dei­ner Pfle­ge­fa­mi­lie, aus dem Jugend­amt oder auch jemand vom Betreu­ungs­ge­richt sein. Du kannst Dich auch an eine unab­hän­gi­ge Ombuds­stel­le wen­den. Die Ombuds­per­son berät Dich und kann mit Dir zusam­men über­le­gen, wel­che Mög­lich­kei­ten es für Dich gibt. Die zustän­di­ge Ombuds­stel­le fin­dest Du unter: www.ombudschaft-jugendhilfe.de

Wenn Du gro­ße Schwie­rig­kei­ten mit Dei­ner Vor­mun­din hast und schon 14 Jah­re alt bist, kannst Du Dich auch beim Fami­li­en­ge­richt beschwe­ren (§ 60 FamFG). Dort wird man Dich und auch Dei­ne Vor­mun­din anhö­ren. Wenn das Gericht zu dem Schluss kommt, dass die Vor­mun­din erheb­lich gegen Dei­ne Inter­es­sen han­delt, kann es die Vor­mund­schaft been­den (1804 BGB) und eine ande­re Vor­mun­din für Dich bestellen.“

Aller­dings ist die Vor­mun­din gesetz­lich ver­pflich­tet, alle Ent­schei­dun­gen im Sin­ne des Wohls des jun­gen Men­schen zu tref­fen. Der Wech­sel des Lebens­or­tes für das Kind oder die Jugend­li­che ist eine weit­rei­chen­de Ent­schei­dung, die vor­her gut geprüft und begrün­det wer­den muss. Vor allem der jun­ge Mensch selbst, aber auch die leib­li­chen Eltern müs­sen von der Vor­mun­din in die­se Ent­schei­dung ein­be­zo­gen wer­den. Anders ist es, wenn es sich um eine Situa­ti­on aku­ter Gefähr­dung des jun­gen Men­schen han­delt, in der zu sei­nem Schutz schnell gehan­delt wer­den muss. Dann kann eine Inob­hut­nah­me not­wen­dig wer­den. Die­se kann auch durch die Vor­mun­din ange­regt wer­den. Durch­füh­ren darf eine Inob­hut­nah­me jedoch nur das zustän­di­ge Jugend­amt, nicht der Vormund.

9. Inob­hut­nah­me und Familiengericht

9.1. Dro­hung mit Fami­li­en­ge­richt: Das Jugend­amt droht mir damit, dass sie das Fami­li­en­ge­richt infor­mie­ren, wenn ich kei­ne Hil­fe anneh­me. Was könn­te dann passieren?

Wenn die Hil­fe nicht ange­nom­men wird, könn­te es pas­sie­ren, dass das Jugend­amt das Fami­li­en­ge­richt ein­schal­tet. Das Jugend­amt wird eine aus­führ­li­che Infor­ma­ti­on beim Fami­li­en­ge­richt ein­rei­chen, wenn es der Ansicht ist, dass im Fal­le der Ableh­nung der ange­bo­te­nen Hil­fe eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung vor­liegt. Das Gericht über­prüft dar­auf­hin, ob eine Gefähr­dung des Kin­des­wohls vor­liegt und wel­che Maß­nah­men gege­be­nen­falls zu tref­fen sind, um die Gefahr abzu­wen­den. Zu beach­ten ist, dass die Tren­nung des Kin­des von den Eltern nur als aller­letz­tes Mit­tel zuläs­sig ist, wenn kei­ne ande­ren Hil­fen mehr in Betracht kom­men. Soll­te das Jugend­amt eine Anre­gung machen, wird es einen Gerichts­ter­min geben, in dem die Eltern und die wei­te­ren Betei­lig­ten münd­lich ange­hört wer­den. Zu den Betei­lig­ten gehö­ren auch das Jugend­amt und eine Ver­fah­rens­bei­stän­din, die das Inter­es­se des Kin­des fest­zu­stel­len und im gericht­li­chen Ver­fah­ren zur Gel­tung zu brin­gen hat (§ 158 FamFG). Es muss stets eine Anhö­rung des Kin­des erfol­gen, die aber in einem sepa­ra­ten Ter­min außer­halb der Gerichts­ver­hand­lung gemein­sam mit der Ver­fah­rens­bei­stän­din statt­fin­det. Die Eltern kön­nen eine eige­ne Stel­lung­nah­me mit ihrer Sicht­wei­se an das Gericht schi­cken. Eine Ver­tre­tung der sor­ge­be­rech­tig­ten Eltern durch eine Anwäl­tin für Fami­li­en­recht im Ver­fah­ren ist ratsam.

Wenn das Gericht der Ansicht ist, dass eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung vor­liegt, kann es Maß­nah­men tref­fen, die zur Abwen­dung der Gefahr erfor­der­lich sind (sie­he § 1666 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Abs. 3 BGB). Das Gericht kann zum Bei­spiel das Gebot aus­spre­chen (Auf­la­gen ertei­len), Leis­tun­gen der Kin­der- und Jugend­hil­fe und der Gesund­heits­für­sor­ge in Anspruch zu neh­men. Auch das Sor­ge­recht kann vom Gericht teil­wei­se oder voll­stän­dig ent­zo­gen wer­den. Aller­dings sind Maß­nah­men, mit denen eine Tren­nung des Kin­des von der elter­li­chen Fami­lie ver­bun­den ist, nur zuläs­sig, wenn ande­re mil­de­re Mit­tel nicht mehr aus­rei­chen. Vor der Tren­nung des Kin­des von der Fami­lie muss ver­sucht wer­den, die Gefahr für das Kind mit öffent­li­chen Hil­fen abzu­wen­den, wie zum Bei­spiel durch Erzie­hungs­be­ra­tung oder den Ein­satz einer sozi­al­päd­ago­gi­schen Fami­li­en­hil­fe. Es kommt aber auch regel­mä­ßig vor, dass das Gericht im Gegen­satz zum Jugend­amt kei­ne Kin­des­wohl­ge­fähr­dung sieht und nicht der Ansicht ist, dass Hil­fen ange­nom­men wer­den müssen.

9.2. Inob­hut­nah­me: Die Vor­mun­din mei­ner Toch­ter droht mir, dass sie mir das Kind weg­nimmt. Darf sie das?

Sie soll­te nicht dro­hen, kann aber bestim­men, dass das Kind woan­ders woh­nen soll. Eine Vor­mun­din ist die recht­li­che Ver­tre­tung, die anstel­le der leib­li­chen Eltern ein­zel­ne oder alle Berei­che des Sor­ge­rech­tes für das Kind oder die Jugend­li­che, über­nom­men hat. Bedin­gung dafür ist eine vor­her getrof­fe­ne fami­li­en­ge­richt­li­che Ent­schei­dung. Eine Vor­mun­din ist dann ver­ant­wort­lich für alle wich­ti­gen Berei­che des täg­li­chen Lebens, zum Bei­spiel Schul­aus­bil­dung, Gesund­heit, Sozi­al­leis­tun­gen. Zum Sor­ge­recht gehört auch das soge­nann­te Auf­ent­halts­be­stim­mungs­recht. Dies gibt der Vor­mun­din grund­sätz­lich das Recht, über den räum­li­chen Auf­ent­halts­ort des jun­gen Men­schen zu bestimmen.

Aller­dings ist die Vor­mun­din gesetz­lich ver­pflich­tet, alle sei­ne Ent­schei­dun­gen im Sin­ne des Wohls des jun­gen Men­schen zu tref­fen. Der Wech­sel des Lebens­or­tes für das Kind oder die Jugend­li­che ist eine weit­rei­chen­de Ent­schei­dung, die vor­her gut geprüft und begrün­det wer­den muss. Vor allem der jun­ge Mensch selbst, aber auch die leib­li­chen Eltern müs­sen von der Vor­mun­din in die­se Ent­schei­dung ein­be­zo­gen wer­den. Anders ist es, wenn es sich um eine Situa­ti­on aku­ter Gefähr­dung des jun­gen Men­schen han­delt, in der zu sei­nem Schutz schnell gehan­delt wer­den muss. Dann kann eine Inob­hut­nah­me not­wen­dig wer­den. Die­se kann auch durch die Vor­mun­din ange­regt wer­den. Durch­füh­ren darf eine Inob­hut­nah­me jedoch nur das zustän­di­ge Jugend­amt, nicht die Vormundin.

Es kann aber auch sein, dass eine Vor­mun­din nur für ein­zel­ne Lebens­be­rei­che (zum Bei­spiel das Auf­ent­halts­be­stim­mungs­recht oder die Gesund­heits­sor­ge) die Ent­schei­dun­gen trifft und die ande­ren Lebens­be­rei­che wei­ter­hin von den leib­li­chen Eltern ent­schie­den wer­den. Dann wird sie als Ergän­zungs­pfle­ge­rin bezeich­net. Eine Vor­mun­din (egal ob frei, amt­lich oder ehren­amt­lich) ist für den jun­gen Men­schen ver­ant­wort­lich und trägt wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen der Lebens­welt, im Inter­es­se des Kin­des, mit.

Auch wenn die elter­li­che Sor­ge bei einer Vor­mun­din liegt, haben die leib­li­chen Eltern das Recht und die Pflicht, ihr Kind in regel­mä­ßi­gen Abstän­den zu sehen (Umgangs­recht) und sich regel­mä­ßig über die Ent­wick­lung zu infor­mie­ren. Das gilt auch, wenn eine Vor­mun­din ein­ge­setzt wur­de. Auch der jun­ge Mensch hat ein Umgangs­recht mit sei­nen Eltern (§1684 Absatz 1 BGB). Liegt jedoch eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung vor, kann das Fami­li­en­ge­richt auf Anre­gung des Jugend­amts das Umgangs­recht der leib­li­chen Eltern oder den Voll­zug frü­he­rer Ent­schei­dun­gen über das Umgangs­recht ein­schrän­ken oder aus­schlie­ßen (§ 1683 Absatz 4 BGB). Das Fami­li­en­ge­richt kann in die­sem Fall anord­nen, dass ein Umgang zwi­schen Eltern und jun­gen Men­schen nur unter Beglei­tung von Drit­ten (zum Bei­spiel durch Trä­ger der Jugend­hil­fe oder einen Ver­ein) statt­fin­den darf.

9.3. Inob­hut­nah­me: Mein Sohn soll in Obhut genom­men wer­den. Ich will das nicht – was kann ich tun?

Es besteht die Mög­lich­keit, der Inob­hut­nah­me zu wider­spre­chen. Wenn Sie der Inob­hut­nah­me wider­spre­chen, darf das Jugend­amt Ihren Sohn nur in Obhut neh­men, wenn eine drin­gen­de Gefahr für das Wohl Ihres Kin­des dies erfor­dert und eine Ent­schei­dung des Fami­li­en­ge­richts nicht recht­zei­tig ein­ge­holt wer­den kann. In die­sem Fall sind Sie als Per­so­nen­sor­ge-/Er­zie­hungs­be­rech­tig­ter unver­züg­lich über die Inob­hut­nah­me zu infor­mie­ren und eine Ent­schei­dung des Fami­li­en­ge­richts ist durch das Jugend­amt ein­zu­ho­len. Das Fami­li­en­ge­richt ent­schei­det, ob eine Rück­füh­rung des Kin­des statt­fin­det oder ob es wei­ter­hin in Obhut des Jugend­am­tes bleibt. Wir emp­feh­len für den Fall eines Gerichts­ver­fah­rens die Beauf­tra­gung einer Rechtsanwältin.

Soll­ten Sie der Inob­hut­nah­me nicht wider­spre­chen, so hat das Jugend­amt unver­züg­lich mit Ihnen im Hil­fe­plan­ver­fah­ren zu bespre­chen, wel­che Hil­fen ein­ge­setzt wer­den sollen.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­gen 9.1 und 9.2

9.4. Kon­takt­ver­wei­ge­rung: Mein Kind wur­de vom Jugend­amt in Obhut genom­men. Nun darf ich kei­nen Kon­takt zu ihm haben. Ist das rechtens?

Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Eltern­teil; jeder Eltern­teil ist zum Umgang mit dem Kind ver­pflich­tet und berech­tigt. Der Umgang darf nur dann ein­ge­schränkt oder (kurz­zei­tig) aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn alle Betei­lig­ten zuge­stimmt haben. Dies soll­te mög­lichst schrift­lich im Hil­fe­plan fest­ge­hal­ten werden.

Soll­te das Jugend­amt gegen Ihren Wil­len einen Umgangs­aus­schluss emp­feh­len, so muss es einen Antrag beim Fami­li­en­ge­richt stel­len. In die­sem Fall ist durch das Gericht zu prü­fen, ob durch die Umgän­ge das Kin­des­wohl ernst­haft beein­träch­tigt wäre und ob aus die­sem Grund ein Umgangs­aus­schluss oder eine Ein­schrän­kung der Umgangs­kon­tak­te erfor­der­lich ist. Nur wenn kein ande­res wirk­sa­mes Mit­tel in Betracht kommt, kann das Gericht einen Umgangs­aus­schluss beschlie­ßen, der aber eine zeit­li­che Begren­zung ent­hal­ten soll­te. Zuvor muss immer vom Gericht geprüft wer­den, ob nicht zum Bei­spiel ein beglei­te­ter Umgang in Fra­ge kommt.

Auch Eltern kön­nen sich an das Fami­li­en­ge­richt wen­den, wenn das Jugend­amt oder eine Einrichtung/​Pfle­ge­fa­mi­lie den Umgang ver­wei­gert. Eben­so ist ein kurz­zei­ti­ger Aus­schluss des Umgangs­rechts, zum Bei­spiel um die Inte­gra­ti­on in eine Pfle­ge­fa­mi­lie oder eine Wohn­grup­pe zu ermög­li­chen, gegen den Wil­len der Eltern nur durch Beschluss des Fami­li­en­ge­richts zulässig.

Auch die Pfle­ge­fa­mi­lie oder die Wohn­grup­pe darf nicht ein­sei­tig Rege­lun­gen des Umgangs festlegen.

9.5. Inob­hut­nah­me: Ich will mich in Obhut neh­men las­sen. Aber nicht in mei­ner Stadt, son­dern woan­ders. Darf ich das?

Wenn Du für Dich die Ent­schei­dung getrof­fen hast, Dich in Obhut neh­men zu las­sen, ist es zunächst egal an wel­ches Jugend­amt Du Dich wen­dest. Zu Dei­nem Schutz muss zunächst das Jugend­amt han­deln, in des­sen Gebiet Du Dich zum Zeit­punkt dei­ner Bit­te um Inob­hut­nah­me, auf­hältst. Jedes Jugend­amt ist, wenn Du dar­um bit­test, gesetz­lich dazu ver­pflich­tet, Dich in Obhut zu neh­men (§42 Abs.1.S. 1 Nr.1 SGB VIII).

Im wei­te­ren Ver­lauf der Inob­hut­nah­me über­nimmt dann schließ­lich Dein tat­säch­lich ört­lich zustän­di­ges Jugend­amt. Dies ist in der Regel das Jugend­amt der Stadt/​des Land­krei­ses, in dem Dei­ne Eltern/​Deine Sor­ge­be­rech­tig­ten und Du leben.

9.6. Fami­li­en­ge­richt: Mei­ne Eltern strei­ten sich über das Sor­ge­recht für mich. Wel­che Rech­te habe ich beim Fami­li­en­ge­richt eigentlich?

Das Gericht muss Dich per­sön­lich anhö­ren und sich einen per­sön­li­chen Ein­druck von Dir ver­schaf­fen. Du bekommst einen eige­nen Ter­min ohne Dei­ne Eltern. Außer­dem soll das Gericht Dich über den Gegen­stand, Ablauf und mög­li­chen Aus­gang des Gerichts­ver­fah­rens in einer geeig­ne­ten und Dei­nem Alter ent­spre­chen­den Wei­se infor­mie­ren und Dir Gele­gen­heit geben, Dich zu äußern.

Dar­über hin­aus soll­te das Gericht Dir eine soge­nann­te Ver­fah­rens­bei­stän­din bestel­len. Die­se Per­son hat Dei­ne Inter­es­sen fest­zu­stel­len und im gericht­li­chen Ver­fah­ren zur Gel­tung zu brin­gen. Vor dem Gerichts­ter­min wird die Ver­fah­rens­bei­stän­din sich mit Dir tref­fen und in Ruhe mit Dir spre­chen. Das Gericht kann der Ver­fah­rens­bei­stän­din außer­dem die Auf­ga­be über­tra­gen, Gesprä­che mit Dei­nen Eltern und ande­ren Bezugs­per­so­nen von Dir zu füh­ren und Vor­schlä­ge für eine Lösung des Ver­fah­rens zu machen. Die Ver­fah­rens­bei­stän­din wird auch dabei sein, wenn Du die Anhö­rung mit der Rich­te­rin hast. Die­se fin­det meis­tens im Büro der Rich­te­rin statt und nicht im Gerichtssaal.

9.7. Inob­hut­nah­me: Mein Kind ist in Obhut genom­men wor­den. Ich erfah­re gar nichts mehr. Wel­che Rech­te habe ich? 

Grund­sätz­lich hat das Jugend­amt die Eltern (Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­te) unver­züg­lich von der Ino­hut­nah­me zu infor­mie­ren, auf­zu­klä­ren und mit ihnen das Gefähr­dungs­ri­si­ko abzu­schät­zen (§ 42 Abs. 3 SGB VIII).

Das heißt, die Eltern haben das Recht, zu erfah­ren, wie es dem Kind geht und wie die wei­te­re Hil­fe­pla­nung aus­se­hen soll. Wenn das Jugend­amt dar­über nicht infor­miert, kön­nen sich die Eltern an die Ombuds­stel­le, eine Rechts­be­ra­tung oder die Vor­ge­setz­ten der Sach­be­ar­bei­te­rin wenden.

9.8. Inob­hut­nah­me: Uns wur­den die Kin­der weg­ge­nom­men, aber es spricht nie­mand mit uns. Wir wis­sen nicht, wie es wei­ter­geht und was wir nun tun dürfen. 

Wenn Kin­der oder Jugend­li­che in Obhut genom­men wur­den, geschieht dies, weil das Jugend­amt nach einer Über­prü­fung zu dem Ergeb­nis kam, dass das Wohl des Kin­des in der Fami­lie akut gefähr­det ist und eine Inob­hut­nah­me zunächst die ein­zi­ge Mög­lich­keit dar­stellt, die Gefahr abzu­wen­den (§ 8a SGB VIII).

Die zustän­di­gen Mit­ar­bei­te­rin­nen des Jugend­am­tes müs­sen aber die Per­so­nen­sor­ge- und Erzie­hungs­be­rech­tig­ten so schnell wie mög­lich dar­über infor­mie­ren, dass die Kin­der in Obhut genom­men wur­den. Sie müs­sen die Grün­de, die zu die­ser Ent­schei­dung geführt haben so erklä­ren, dass sie ver­ständ­lich, nach­voll­zieh­bar und wahr­nehm­bar sind (§ 42 Abs. 3 SGBVIII). Das heißt, dass die Eltern oder Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten umfas­send über die Inob­hut­nah­me auf­ge­klärt wer­den. Auch bei der Abschät­zung des Gefähr­dungs­ri­si­kos soll­ten sie mit ein­be­zo­gen werden.

Das heißt, es muss Gesprä­che mit den Eltern zur Inob­hut­nah­me und den Grün­den geben. Wenn sich die Eltern nicht an ein sol­ches Gespräch erin­nern kön­nen oder die Grün­de nicht ver­stan­den haben, kön­nen sie sich an das zustän­di­ge Jugend­amt wen­den und die Mit­tei­lung der kon­kre­ten Grün­de für die Inob­hut­nah­me ein­for­dern. Das Jugend­amt ist dazu ver­pflich­tet, die Grün­de ver­ständ­lich zu machen.

Die Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten kön­nen der Inob­hut­nah­me auch wider­spre­chen. Nach einem Wider­spruch gibt es die Mög­lich­keit, dass die Kin­der wie­der an ihre Per­so­nen­sor­ge- oder Erzie­hungs­be­rech­tig­ten über­ge­ben wer­den. Das pas­siert aber nur dann, wenn nach Ein­schät­zung des Jugend­am­tes kei­ne aku­te Gefähr­dung für das Wohl der Kin­der besteht oder die Per­so­nen­sor­ge- oder Erzie­hungs­be­rech­tig­ten eine bestehen­de Gefähr­dung abwen­den kön­nen (§ 42 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Ob die Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten der Inob­hut­nah­me wider­spre­chen möch­ten, kön­nen sie also auch bes­ser ent­schei­den, wenn die Grün­de hier­für bekannt sind und sie so selbst ein­schät­zen kön­nen, ob die Gefahr abge­wen­det wer­den kann.

Liegt nach einem Wider­spruch der Eltern aus Sicht des Jugend­am­tes wei­ter­hin eine Gefähr­dung des Kin­des­woh­les vor, muss das Jugend­amt unver­züg­lich eine Ent­schei­dung des Fami­li­en­ge­rich­tes herbeiführen.

Wenn die Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten der Inob­hut­nah­me nicht wider­spre­chen, muss vom Jugend­amt unver­züg­lich ein Hil­fe­plan­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wer­den (§42 Abs. 3 SGB VIII). Das bedeu­tet, dass es so schnell wie mög­lich ein Hil­fe­plan­ge­spräch gibt, bei dem mit ihnen gemein­sam bespro­chen wird, was sie tun kön­nen, damit die Kin­der wie­der in die Fami­lie zurück­kom­men kön­nen (Rück­füh­rung). Manch­mal sind das aber Zie­le, die sich nicht so schnell umset­zen las­sen und Zeit brau­chen. Zum Bei­spiel wenn die Eltern selbst pro­fes­sio­nel­le Unter­stüt­zung brau­chen, um sich wie­der umfas­send um ihre Kin­der in der Fami­lie küm­mern zu kön­nen. Dann wird beim Hil­fe­plan­ge­spräch auch bespro­chen, wie und wo die Kin­der in nächs­ter Zeit leben wer­den und was die­se jetzt brau­chen. In Hil­fe­plan­ge­sprä­chen soll­te immer auch bespro­chen wer­den, wie die Eltern wei­ter­hin Kon­takt mit ihren Kin­dern haben kön­nen, wie oft sie sich sehen oder ob es Beur­lau­bun­gen gibt. Manch­mal wird auch fest­ge­legt, wann sie mit­ein­an­der tele­fo­nie­ren können.

9.9. Inob­hut­nah­me: Mei­ne Nich­te will nicht mehr zurück zur Fami­lie. Was kann ich tun? 

Kin­der und Jugend­li­che kön­nen sich in einer sol­chen Situa­ti­on in einem Kin­der- und Jugend­schutz­dienst, einer Erzie­hungs­be­ra­tungs­stel­le, beim Sor­gen­te­le­fon, einer Ombuds­stel­le oder auch dem Jugend­amt zu den dahin­ter­ste­hen­den Pro­ble­men bera­ten las­sen, ohne dass ihre Eltern dar­über infor­miert wer­den (§ 8 Abs. 3 SGB VIII). 

Die­se Stel­len kön­nen die Kin­der und Jugend­li­chen auch dar­über infor­mie­ren, dass es die Mög­lich­keit gibt, sich als „Selbst­mel­de­rin“ vom Jugend­amt in Obhut neh­men zu las­sen. Das bedeu­tet, dass Kin­der und Jugend­li­che in einer Ein­rich­tung auf­ge­nom­men wer­den, in der dann mit den Fach­kräf­ten vor Ort, dem Jugend­amt und den Eltern zusam­men geschaut wird, wie es wei­ter­ge­hen kann. 

Wenn Kin­der oder Jugend­li­che sich dazu ent­schei­den, in Obhut genom­men wer­den zu wol­len, dann wen­den sie sich ent­we­der direkt an ein Jugend­amt, eine Inob­hut­nah­me-Ein­rich­tung oder an die Poli­zei. Es ist gut, wenn es eine Ver­trau­ens­per­son gibt, die unter­stüt­zen kann. Es geht aber auch allein.

Das Jugend­amt ist dann ver­pflich­tet, eine min­der­jäh­ri­ge Selbst­mel­de­rin erst ein­mal vor­läu­fig sicher unter­zu­brin­gen (sie­he § 42 Abs. 1 SGBVIII). Das bedeu­tet, dass das Jugend­amt der Bit­te des Kin­des oder der Jugend­li­chen um Inob­hut­nah­me immer erst ein­mal nach­kom­men muss. Außer­dem ist das Jugend­amt, zu dem das Kind oder die Jugend­li­che geht, ver­pflich­tet, die Inob­hut­nah­me durch­zu­füh­ren. Es muss also nicht das Jugend­amt sein, wel­ches eigent­lich zustän­dig wäre (§ 87 SGB VIII). 

Auch als Ange­hö­ri­ge oder Ver­trau­ens­per­son eines Kin­des und Jugend­li­chen, die nicht mehr nach Hau­se möch­te oder in ande­ren belas­te­ten Situa­tio­nen ist, kön­nen Sie sich bei einem Kin­der- und Jugend­schutz­dienst in ihrer Umge­bung bera­ten las­sen, wie sie das Kind bezie­hungs­wei­se die Jugend­li­che am bes­ten unter­stüt­zen kön­nen. Bei Fra­gen zu den Rech­ten von jun­gen Men­schen in der Kin­der- und Jugend­hil­fe kön­nen Sie sich bei einer Ombuds­stel­le bera­ten lassen.

Wer mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 9.5..

10. Kos­ten­bei­trä­ge und Geld­leis­tun­gen in den Hil­fen zur Erziehung

10.1. Kos­ten­her­an­zie­hung Eltern: Ich bin ein Vater und mei­ne Toch­ter wird in ein Heim kom­men. Muss ich dann an das Jugend­amt etwas zah­len für die Unter­brin­gung mei­ner Tochter?

Für die Unter­brin­gung in einem Heim oder einer sons­ti­gen betreu­ten Wohn­form wer­den Kos­ten erho­ben. Ledig­lich ambu­lan­te Maß­nah­men (zum Bei­spiel eine Fami­li­en­hil­fe) sind kostenfrei.

In § 92 SGB VIII ist gere­gelt, wer kos­ten­bei­trags­pflich­tig ist. Nach § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII sind dies die Eltern. Hier spielt es kei­ne Rol­le, ob die Eltern sor­ge­be­rech­tigt sind oder nicht. Die Kos­ten­her­an­zie­hung erfolgt durch Erhe­bung eines Kos­ten­bei­trags, der durch einen soge­nann­ten Leis­tungs­be­scheid fest­ge­setzt wird. Die Erhe­bung eines Kos­ten­bei­trags darf erst ab dem Zeit­punkt erfol­gen, ab wel­chem dem Kos­ten­pflich­ti­gen die Gewäh­rung der Leis­tung mit­ge­teilt und er über die Fol­gen für sei­ne Unter­halts­pflicht auf­ge­klärt wurde.

Kos­ten­bei­trags­pflich­ti­ge Eltern sind aus ihrem Ein­kom­men in ange­mes­se­nem Umfang her­an­zu­zie­hen. Hier­zu gibt es eine Kos­ten­bei­trags­ver­ord­nung, die nach Ein­kom­mens­grup­pen gestaf­fel­te Pau­schal­be­trä­ge fest­legt. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat ent­schie­den, dass der unter­halts­recht­li­che Selbst­be­halt als Gren­ze der Her­an­zie­hung anzu­se­hen ist, die nicht unter­schrit­ten wer­den darf.

Wer kein Ein­kom­men erzielt, kann auch nicht zu den Kos­ten her­an­ge­zo­gen wer­den. In bestimm­ten Fäl­len kann außer­dem von der Her­an­zie­hung abge­se­hen wer­den, zum Bei­spiel wenn sie zu einer Gefähr­dung von Ziel und Zweck der Leis­tung füh­ren wür­de oder sich aus der Her­an­zie­hung eine beson­de­re Här­te erge­ben würde.

Das Kin­der­geld muss immer ein­ge­setzt werden.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: BVerwG, Urteil vom 19.08.2010, 5 C 10.09, JAmt 2011, 208= NJW 2011, 97

10.2. Kin­der­geld: Unser Kind soll ins Heim. Nun soll ich das Kin­der­geld ans Jugend­amt abge­ben. Ist das rechtens?

Ja, nach § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist das Kin­der­geld als Kos­ten­bei­trag zu zah­len, wenn Leis­tun­gen über Tag und Nacht außer­halb des Eltern­hau­ses erbracht wer­den, das Kind also sta­tio­när (im “Heim”) leben soll.

10.3. Kos­ten­her­an­zie­hung jun­ger Men­schen: Ich woh­ne in einer Wohn­grup­pe und habe Ein­kom­men. Nun soll ich 75 % davon abge­ben. Ist das rechtens?

Bis zum 09.06.2021 war das gel­ten­des Recht. Zum 01.01.2023 wur­de die Kos­ten­her­an­zie­hung jun­ger Men­schen, die in einer Wohn­grup­pe leben abge­schafft! Das gilt auch für die­je­ni­gen, die in einer Mutter/​Vater- Kind Ein­rich­tung leben. Auch Ehe­part­ne­rin­nen oder Lebens­ge­fähr­tin­nen dür­fen nicht mehr zu den Kos­ten her­an­ge­zo­gen wer­den. Geld­leis­tun­gen, die dem glei­chen Zweck wie die jewei­li­ge Leis­tung der Jugend­hil­fe die­nen, zäh­len jedoch nicht zum Ein­kom­men und sind wei­ter­hin unab­hän­gig von einem Kos­ten­bei­trag einzusetzen.

Seit dem 01.01.2023 gilt jedoch auch hier, dass alle, deren Aus­bil­dung zum Bei­spiel über die Agen­tur für Arbeit (SGB II oder Reha) geför­dert wird, ihr Aus­bil­dungs­geld nicht mehr kom­plett an das Jugend­amt abge­ben müs­sen. Es darf ein Teil die­ses Gel­des behal­ten wer­den und zwar von denjenigen

  • die eine Berufs­vor­be­rei­tung machen oder Berufs­aus­bil­dungs­bei­hil­fe (§ 56 SGB II) bekom­men. Hier dür­fen 109 € behal­ten wer­den. Die­se 109 € sind der Betrag für “sons­ti­ge Bedürf­nis­se” (Ver­gleich: § 61 Absatz 2 Satz 1 und § 62 Absatz 3 Satz 1 SGB II)
  • die Aus­bil­dungs­geld nach § 122 SGB III erhal­ten (zum Bei­spiel für eine geschütz­te Berufs­aus­bil­dung, geschütz­te Reha- oder Bil­dungs­maß­nah­me). Hier dür­fen nun monat­lich 126 € des Aus­bil­dungs­gel­des behal­ten wer­den (Ver­gleich: § 123 Satz 1 Num­mer 2; § 124 Num­mer 2 und § 125 SGB III).

Das Gesetz zur Kos­ten­her­an­zie­hung (§§ 91ff SGB VIII) wur­de bereits ein­mal geän­dert. Bis zum 09.06.2021 muss­ten maxi­mal 75% des Ein­kom­mens abge­ge­ben wer­den. Ab dem 10.06.2021 galt eine neue Geset­zes­än­de­rung und der Kos­ten­bei­trag betrug höchs­tens 25% aus dem aktu­el­len Einkommen.

Bis zum 09.06.2021 sind Kos­ten­be­schei­de, in denen 75% des Ein­kom­mens­ge­for­dert wer­den rich­tig, wenn sie sich auf das Ein­kom­men des Vor­jah­res bezie­hen. Bei­spiel: Wenn im Vor­jahr nur in 4 Mona­ten Ein­kom­men erzielt wur­de, muss man die­ses Ein­kom­men auf 12 Mona­te ver­tei­len und davon 75% abge­ben. Man kann jedoch einen begrün­de­ten Antrag auf Her­ab­set­zung des Kos­ten­bei­trags stel­len. Dabei kommt es auf die Zie­le an, die mit der Arbeits­tä­tig­keit erreicht wer­den sol­len. So kann ein Grund für einen gerin­ge­ren Kos­ten­bei­trag sein, wenn zum Bei­spiel für den Füh­rer­schein oder die Aus­stat­tung oder Kau­ti­on der ers­ten eige­nen Woh­nung gespart wird. Das ist eine Ermes­sens­ent­schei­dung des Jugendamtes.

Seit der Geset­zes­än­de­rung vom 10.06.2021 betrug der Kos­ten­bei­trag höchs­tens 25% aus dem aktu­el­len Ein­kom­men. Das bedeu­tet, dass vom Aus­bil­dungs­geld oder dem Geld aus einem Job maxi­mal 25% ans Jugend­amt abge­ge­ben wer­den müs­sen. Die­se 25% müs­sen jeden Monat neu berech­net wer­den, wenn das Ein­kom­men nicht jeden Monat gleich ist. Ein Kos­ten­bei­trag muss nicht gezahlt wer­den für:

  • Ein­kom­men aus Schü­ler­jobs oder Prak­ti­ka mit einer Ver­gü­tung bis zu einer Höhe von 150€ monatlich
  • Ein­kom­men aus Ferienjobs
  • Ein­kom­men aus einer ehren­amt­li­chen Tätig­keit oder

Die­ses Ein­kom­men darf daher kom­plett behal­ten wer­den. Behal­ten wer­den dür­fen auch 150€ monat­lich als Teil der Ausbildungsvergütung.

Wich­tig: Zu den ehren­amt­li­chen Tätig­kei­ten zäh­len nach der neu­en recht­li­chen Rege­lung auch

  • das Frei­wil­li­ge Sozia­le Jahr
  • das Frei­wil­li­ge öko­lo­gi­sche Jahr
  • das Frei­wil­li­ge kul­tu­rel­le Jahr und
  • der Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst.

Bei die­sen Tätig­kei­ten wird in eini­gen Fäl­len ein Ver­pfle­gungs­geld gezahlt. Auch dies darf vom Jugend­amt nicht als soge­nann­te zweck­iden­ti­sche Leis­tung her­an­ge­zo­gen werden.

Neu ist auch, dass kei­ne Kos­ten­her­an­zie­hung mehr aus even­tu­ell vor­han­de­nem Ver­mö­gen erfol­gen darf. Geerb­tes Geld zum Bei­spiel darf man voll­um­fäng­lich behal­ten. Alle neu­en Rege­lun­gen zur Kos­ten­her­an­zie­hung gel­ten nur für die Zeit ab dem 10.06.2021. Für die Zeit davor gilt die alte Rege­lung (75% aus dem Vorjahr).

Wer mehr wis­sen möch­te: sie­he auch die Fra­gen 10.4. und 10.5.

10.4. Kos­ten­her­an­zie­hung jun­ger Men­schen: Ich lebe in einer WG und habe einen Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst abge­leis­tet. Nun will das Jugend­amt im Nach­hin­ein über 600 Euro von mir haben. Ist das rechtens?

Hier ist dar­auf zu ach­ten, wann der Bescheid über die Kos­ten­her­an­zie­hung erstellt wurde.

Am 10.06.2021 gab es eine Gesetzesänderung.

Für alle Beschei­de, die bis zum 09.06.2021 erstellt wur­den, gilt Fol­gen­des: Wenn die Arbeits­tä­tig­keit in ers­ter Linie dem sozia­len Enga­ge­ment dient, zum Bei­spiel der Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst oder ein Frei­wil­li­ges Sozia­les Jahr, kann von der Kos­ten­her­an­zie­hung ganz oder teil­wei­se abge­se­hen wer­den. Das sind jedoch Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen, die man bean­tra­gen muss und begrün­den soll­te. Dem Jugend­amt steht hier ein Ermes­sen zu. Das Jugend­amt kann den Kos­ten­bei­trag ver­rin­gern oder kom­plett auf die Kos­ten­her­an­zie­hung ver­zich­ten, wenn das Ein­kom­men „aus einer Tätig­keit stammt, die dem Zweck der Jugend­hil­fe dient“. Das ist bei einem Frei­wil­li­gen Sozia­len Jahr zumeist so und kann zum Bei­spiel auch beim Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst der Fall sein. Bei Ableh­nung des Antrags kann Wider­spruch ein­ge­legt wer­den. Bei die­sen Tätig­kei­ten wird in eini­gen Fäl­len ein Ver­pfle­gungs­geld gezahlt. Dies darf vom Jugend­amt nicht als soge­nann­te zweck­iden­ti­sche Leis­tung her­an­ge­zo­gen werden.

Man kann auch bei Ein­künf­ten aus ande­ren Arbeits­ver­hält­nis­sen einen begrün­de­ten Antrag auf Her­ab­set­zung des Kos­ten­bei­trags stel­len. Es kommt auf die Zie­le an, die mit der Arbeits­tä­tig­keit erreicht wer­den sol­len, wenn Ihr zum Bei­spiel für den Füh­rer­schein oder die Aus­stat­tung oder Kau­ti­on der ers­ten eige­nen Woh­nung spa­ren wollt. Auch das ist eine Ermessensentscheidung.

Für alle Beschei­de, die nach dem 10.06.2021 erstellt wur­den, gilt Folgendes:

Der Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst oder ein Frei­wil­li­ges Sozia­les Jahr fal­len unter die soge­nann­ten ehren­amt­li­chen Tätig­kei­ten (§ 94 Abs. 6 Satz 3 Nr.3 SGB VIII). Seit der Geset­zes­än­de­rung muss für die­se Tätig­kei­ten kein Kos­ten­bei­trag mehr erho­ben wer­den. Bei die­sen Tätig­kei­ten wird in eini­gen Fäl­len ein Ver­pfle­gungs­geld durch den Arbeit­ge­ber gezahlt. Dies darf vom Jugend­amt nicht als soge­nann­te zweck­iden­ti­sche Leis­tung her­an­ge­zo­gen werden.

Soll­te das Jugend­amt dazu trotz­dem einen Kos­ten­bei­trag erhe­ben, kann gegen den Bescheid ein Wider­spruch ein­ge­legt wer­den. Der Wider­spruch muss schrift­lich inner­halb eines Monats ein­ge­legt wer­den. Es gibt hier­für aller­dings kei­ne For­mu­la­re. Der Wider­spruch kos­tet kein Geld.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 10.3. und 10.5. oder unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de

10.5. Kos­ten­her­an­zie­hung jun­ge Men­schen: Ich lebe in einem Heim. Bei mir hat das Jugend­amt jah­re­lang zu viel Geld von mei­nem Aus­bil­dungs­ge­halt abge­zo­gen. Kann ich das zurückfordern?

Jun­ge Voll­jäh­ri­ge, die in einer Wohn­grup­pe, im betreu­ten Ein­zel­woh­nen oder bei Pfle­ge­el­tern leben, muss­ten sich bis zum 31.12.2022an den Kos­ten der Unter­brin­gung betei­li­gen. Zum 01.01.2023 wur­de die Kos­ten­her­an­zie­hung jun­ger Men­schen abgeschafft.

Am 10.06.2021 gab es bereits eine ers­te Geset­zes­än­de­rung. Bis zum 09.06.2021 muss­ten höchs­tens 75% des Ein­kom­mens abge­ge­ben wer­den. Ab dem 10.06.2021 beträgt der Kos­ten­bei­trag nun höchs­tens 25% aus dem aktu­el­len Ein­kom­men (gem. § 94 Abs. 6 S. 2 SGB VIII). Bis zum 09.06.2021 galt das soge­nann­te Vor­jah­res­prin­zip. Das heißt, dass immer das Ein­kom­men des vor­he­ri­gen Jah­res genom­men wer­den muss­te und nicht das aktu­el­le Ein­kom­men wie jetzt.

Hier sind häu­fig Feh­ler pas­siert und die Kos­ten­her­an­zie­hung wur­de nicht aus dem Ein­kom­men des Vor­jah­res berech­net (Ein­künf­te des gesam­ten Jah­res geteilt durch 12 Mona­te). Grund­la­ge hier­für ist § 93 Abs. 4 SGB VIII.

Hier­ge­gen kann man Wider­spruch ein­le­gen inner­halb eines Monats nach Zustel­lung des Bescheids. Auf der Home­page des Bun­des­netz­werks Ombud­schaft (www.ombudschaft-jugendhilfe.de) fin­det Ihr auch einen Vor­schlag, wie die­ser Wider­spruch wegen Miss­ach­tung des Vor­jah­res­prin­zips aus­se­hen könn­te und eine Aus­füll­hil­fe dazu.

Und wenn die Frist schon abge­lau­fen ist…. geht auch noch was:

Wenn erst spä­ter klar wird, dass der Kos­ten­her­an­zie­hungs­be­scheid falsch ist, kann ein Antrag an das Jugend­amt gestellt wer­den, mit der Bit­te den Bescheid zu ändern. Rechts­grund­la­ge hier­zu ist der § 44 SGB X.

Hier­zu gibt es ein sehr aus­führ­li­ches Rechts­gut­ach­ten unter: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/2021/08/4999/

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 10.3..

10.6. Geld­leis­tun­gen: Mein Kind ist weit weg in einem Heim/​Pfle­ge­fa­mi­lie unter­ge­bracht. Zahlt das Jugend­amt die Fahrt­kos­ten für ihn oder mich?

In der Regel über­neh­men die Jugend­äm­ter die Fahrt­kos­ten des Kin­des für Wochen­end- oder Feri­en­be­ur­lau­bun­gen zu den Eltern. Schwie­ri­ger ist es, wenn Eltern ihre Fahrt­kos­ten vom Jugend­amt erstat­tet bekom­men wol­len, wenn sie ihr Kind in der Ein­rich­tung besu­chen. Fahrt­kos­ten gehö­ren zu den soge­nann­ten “Annex­leis­tun­gen”. Dar­un­ter sind finan­zi­el­le Leis­tun­gen zu ver­ste­hen, die ergän­zend erbracht wer­den (“Annex” bedeu­tet “anhän­gend”, “ergän­zend”). Bei sta­tio­nä­ren Hil­fen zur Erzie­hung kom­men die Jugend­äm­ter auch für den lau­fen­den not­wen­di­gen Unter­halt der betref­fen­den Kin­der auf und kön­nen auch ein­ma­li­ge Bei­hil­fen und Zuschüs­se gewäh­ren. Gesetz­lich ver­an­kert ist das im §39 SGB VIII. Fahrt­kos­ten gehö­ren zu den Bei­hil­fen, egal wie regel­mä­ßig die­se Fahr­ten statt­fin­den. Aller­dings gibt es in allen Jugend­äm­tern Richt­li­ni­en dar­über, wel­che (Fahrt-) Kos­ten über­nom­men wer­den und wel­che nicht und ob es dafür einen Antrag braucht. Die­se Richt­li­ni­en kön­nen ent­we­der beim Jugend­amt selbst oder beim Jugend­hil­fe­aus­schuss erfragt wer­den. Jeder hat das Recht, die­se Richt­li­ni­en einzusehen.

Wich­tig ist dabei noch: Müs­sen Fahrt­kos­ten (oder ande­re Bei­hil­fen) sepa­rat bean­tragt wer­den, dann bei dem für die Hil­fe zustän­di­gen Jugend­amt. Wenn das Kind wei­ter weg unter­ge­bracht ist, dann muss sich das Jugend­amt bei der Fra­ge in wel­cher Höhe Fahrt­kos­ten erstat­tet wer­den, an die Richt­li­ni­en des jewei­li­gen Jugend­am­tes hal­ten, wo das Kind in einem Heim/​Pflegefamilie vor Ort unter­ge­bracht ist.

Wir emp­feh­len, im Hil­fe­plan schrift­lich ver­ein­ba­ren zu las­sen, wo und wie die Besu­che zwi­schen Eltern und Kin­dern statt­fin­den und wer die Fahrt­kos­ten über­nimmt. Wenn das Ziel der Hil­fe ist, dass das Kind wie­der bei den Eltern lebt, sind die Chan­cen grö­ßer, dass das Jugend­amt auch die Fahrt­kos­ten der Eltern über­nimmt, wenn die Eltern ihr Kind — neben den Beur­lau­bun­gen des Kin­des zu den Eltern — regel­mä­ßig in der Ein­rich­tung besu­chen, um die Bezie­hung zuein­an­der zu för­dern. Und zumin­dest die Fahrt­kos­ten der Eltern zu den Hil­fe­plan­ge­sprä­chen wer­den in der Regel über­nom­men, wenn sich die Eltern dies finan­zi­ell nicht leis­ten können.

10.7. Geld­leis­tun­gen: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe und soll bald aus­zie­hen. Das Jugend­amt hat mir gesagt, dass ich 700 Euro für die Ein­rich­tung der Woh­nung bekom­men soll. Das reicht aber nie­mals. Was kann ich tun?

Beim Aus­zug aus der Jugend­hil­fe­ein­rich­tung in eine eige­ne Woh­nung braucht man zumeist Möbel, Kau­ti­on und Haus­halts­ge­gen­stän­de. Da kann schnell ein grö­ße­rer Betrag zusam­men­kom­men. Dann am bes­ten früh­zei­tig vor dem geplan­ten Aus­zug beim Jugend­amt infor­mie­ren, ob es den Umzug mit einem Pau­schal­be­trag finan­zi­ell unter­stützt. Die Bei­hil­fe (oft­mals auch „Erst­aus­stat­tungs­pau­scha­le“ genannt) kann beim Jugend­amt bean­tragt wer­den. Das Jugend­amt muss dann über­prü­fen, ob die Bei­hil­fe bewil­ligt wer­den kann.

Falls Du Arbeits­lo­sen­geld II beziehst, kannst Du auch beim zustän­di­gen Job­cen­ter Gel­der für die Ein­rich­tung bean­tra­gen. Eine Erst­aus­stat­tungs­pau­scha­le wird aber ins­ge­samt nur ein­mal (vom Job­cen­ter oder vom Jugend­amt) gewährt.

Wie die Erst­aus­stat­tungs­pau­scha­le dann ein­zu­tei­len ist, ist von Jugend­amt zu Jugend­amt unter­schied­lich. Man­che Jugend­äm­ter haben genaue Vor­ga­ben, wel­cher Betrag für wel­che Art der Anschaf­fung vor­ge­se­hen ist (zum Bei­spiel Umzugs­trans­por­ter, Tisch, Stüh­le, Bett, …). Ande­re Jugend­äm­ter bewil­li­gen einen Gesamt­be­trag und der jun­ge Mensch soll ihn dann selbst einteilen.

Wich­tig ist, dass sich die Höhe des Pau­schal­be­trags nicht an den Vor­ga­ben des zustän­di­gen Jugend­am­tes ori­en­tiert, son­dern an denen der Stadt/​Kom­mu­ne, in der der jun­ge Mensch tat­säch­lich lebt und umzieht. Denn hier­von ist die Höhe der Lebens­er­hal­tungs­kos­ten abhän­gig. Und das ent­spricht dann dem Grund­satz der Gleichbehandlung.

Falls Du merkst, dass der Pau­schal­be­trag für die not­wen­di­gen Din­ge nicht aus­reicht, dann suche früh­zei­tig den Kon­takt zum Jugend­amt und bean­tra­ge, dass der Pau­schal­be­trag ange­passt wird. Eine Auf­lis­tung der not­wen­digs­ten Din­ge und den jewei­lig anfal­len­den Kos­ten sind dabei für die Argu­men­ta­ti­on hilfreich.

11. Antrag­stel­lung, Bescheid und Rechtsmittel

11.1. Kei­ne Hil­fe: Mir war eine Hil­fe zur Erzie­hung bereits münd­lich zuge­sagt. Nun aber soll ich doch kei­ne Hil­fe bekom­men. Was kann ich tun?

Dage­gen ist genau­so der Wider­spruch mög­lich, wie gegen eine schrift­li­che “Absa­ge”. Der Wider­spruch ist inner­halb eines Monats nach Zustel­lung mög­lich. Wenn der Bescheid kei­ne oder eine unrich­ti­ge Rechts­be­helfs­be­leh­rung (am Ende des Bescheids) ent­hält, dann ver­län­gert sich die Wider­spruchs­frist auf ein Jahr. Es ist es rat­sam einen schrift­li­chen Bescheid anzu­for­dern. Dar­auf gibt es einen Anspruch (§ 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Somit gibt es einen schrift­li­chen Nach­weis, in dem auch die ableh­nen­den Grün­de genannt wer­den müs­sen. Neben der Nach­voll­zieh­bar­keit der Grün­de für sich selbst hat das den Vor­teil, dass die Mit­ar­bei­ten­den sich noch ein­mal Gedan­ken über die Hil­fe machen, und die Betei­lig­ten im bes­ten Fall bera­ten und zu einem Hil­fe­plan­ge­spräch ein­la­den, um den Hil­fe­be­darf zu klären.

11.2. “Fach­team“: Mei­ne Jugend­amts­mit­ar­bei­te­rin sagt, dass sie zwar die Hil­fe bewil­li­gen will, aber noch in ein soge­nann­tes „Fach­team“ muss, um eine Ent­schei­dung mit ihrem Team gemein­sam zu tref­fen. Kann sie nicht selbst die Hil­fe bewilligen?

Die fall­füh­ren­de Fach­kraft im Jugend­amt ist für die Ent­schei­dung über eine Hil­fe verantwortlich.

In der Pra­xis ist es gän­gig, dass eine Hil­fe zur Erzie­hung nicht von einer Fach­kraft allein ent­schie­den und gestar­tet wird (§ 36 Abs.2 Satz 1, SGB VIII). Die Hil­fe­ge­wäh­rung soll immer im „Zusam­men­wir­ken meh­re­rer Fach­kräf­te“, also in Abspra­che mit min­des­tens zwei Fach­kräf­ten, abge­si­chert und auch end­gül­tig ent­schie­den werden.

Die Fach­kräf­te tref­fen sich regel­mä­ßig, um gemein­sam über neue Hil­fen zu spre­chen und dar­über zu ent­schei­den. Die­ses Zusam­men­tref­fen nennt man zum Bei­spiel „Fach­team“. Es soll die Qua­li­tät der neu­en Hil­fen sicher­stel­len und es sol­len dadurch wei­te­re, alter­na­ti­ve Ideen geschaf­fen und bedacht wer­den. Es kann sein, dass die Ent­schei­dung nun nach Bera­tung allein von Dei­ner Fach­kraft, oder in der Bera­tung gemein­sam durch die Fach­kräf­te getrof­fen wird. Die Wirt­schaft­li­che Jugend­hil­fe kann bera­tend hin­zu­ge­zo­gen wer­den, hat aber kei­ne Entscheidungskompetenz.

11.3. Hil­fe­ge­wäh­rung: Ich möch­te Hil­fe durch das Jugend­amt. Das wei­gert sich aber, Hil­fe zu leis­ten, weil ich die „rich­ti­gen For­mu­la­re“ nicht aus­ge­füllt habe. Ist das rechtens?

Nein, das ist nicht rech­tens. Die Pra­xis eini­ger Jugend­äm­ter, ohne schrift­li­chen Antrag auf einem Form­blatt über­haupt nicht tätig zu wer­den und ein Hil­fe­ge­spräch ein­zu­be­ru­fen oder einen ableh­nen­den Bescheid zu erstel­len, ent­spricht nicht dem vor­ge­schrie­be­nen Verwaltungsverfahren.

Das Gesetz sieht für die Kin­der- und Jugend­hil­fe kei­ne förm­li­che Antrag­stel­lung auf Hil­fe vor. Bei Kennt­nis von Hil­fe­be­darf besteht viel­mehr die Ver­pflich­tung der Fach­kräf­te Hil­fe anzu­bie­ten und ggf. auch wer­bend auf Inan­spruch­nah­me von Hil­fe hin­zu­wir­ken. Des­halb ist aus recht­li­cher Per­spek­ti­ve vor allem wich­tig, dem Jugend­amt den Hil­fe­be­darf zur Kennt­nis zu geben. Die­se Mit­tei­lung kann münd­lich und schrift­lich gesche­hen. Meist ist den­noch ein kur­zer Brief sinn­voll. Hier­durch wird z.B. nach­weis­bar, wann für das Jugend­amt die Frist zum Han­deln begann. In dem Brief soll­ten die eige­nen Kon­takt­da­ten ste­hen und in weni­gen Sät­zen, war­um man Hil­fe vom Jugend­amt haben möch­te. Aus­führ­li­che Dar­stel­lun­gen sind nicht nötig. Hier­für reicht es, auf das Gespräch mit der zustän­di­gen Fach­kraft zu war­ten, in dem die­se gemein­sam mit den Leis­tungs­be­rech­tig­ten über Ihre Lebens­la­ge reden wird.

Eini­ge Jugend­äm­ter hal­ten For­mu­la­re für Antrag­stel­lun­gen bereit, in der die Anga­be ver­schie­de­ner Daten bereits vor­ge­se­hen ist. So sol­len Ver­wal­tungs­vor­gän­ge ver­ein­facht und auf die Voll­stän­dig­keit der not­wen­di­gen Anga­ben hin­ge­wirkt wer­den. Sind sol­che Vor­dru­cke vor­han­den, sol­len sie benutzt wer­den (§ 60 Abs. 2 SGB I). Eine Bear­bei­tung des „Antrags“ oder gar die Bewil­li­gung von Hil­fe darf aber vom Aus­fül­len die­ser For­mu­la­re nicht abhän­gig gemacht wer­den. Wur­den ohne Ver­wen­dung der Vor­dru­cke alle leis­tungs­er­heb­li­chen Tat­sa­chen mit­ge­teilt, kann hier­aus kei­ne Ableh­nung begrün­det werden.

Die Ent­schei­dung des Jugend­amts über die Bewil­li­gung oder Ableh­nung einer Hil­fe ist ein Ver­wal­tungs­akt. Die­ser kann schrift­lich, münd­lich, elek­tro­nisch oder in einer ande­ren Form erlas­sen wer­den (§ 33 Abs. 2 S. 1 SGB X) und muss eine Begrün­dung ent­hal­ten (§ 35 Abs. 1 SGB X). Das heißt, grund­sätz­lich ist es auch mög­lich, dass die Fach­kraft des Jugend­am­tes am Schluss eines Gesprächs mit­teilt, dass sie z.B. kei­nen Hil­fe­be­darf erkennt und des­halb den Antrag ablehnt.

Aller­dings besteht das Recht auf eine schrift­li­che Bestä­ti­gung eines sol­chen münd­lich erklär­ten Ver­wal­tungs­akts, wenn der Betrof­fe­ne die­sen unver­züg­lich ver­langt (§ 33 Abs. 2 S. 2 SGB X). Das not­wen­di­ge recht­li­che Inter­es­se an der Bestä­ti­gung ist gege­ben, da zum Bei­spiel Über­le­gun­gen gegen die Ent­schei­dung vor­zu­ge­hen leich­ter anhand eines schrift­li­chen Bescheids getrof­fen wer­den kön­nen und so ein Nach­weis der ableh­nen­den Ent­schei­dung vor­han­den ist. Bei einer münd­li­chen Ableh­nung macht es meis­tens Sinn eine schrift­li­che Ableh­nung zu verlangen.

11.4. Bescheid: Ich möch­te gegen eine Ent­schei­dung des Jugend­amts in Wider­spruch gehen. Aber ich habe kei­nen Bescheid bekom­men. Was kann ich tun?

Es emp­fiehlt sich zunächst, beim Jugend­amt einen schrift­li­chen Bescheid anzu­for­dern. Dar­auf besteht ein Anspruch (§ 33 Abs 2 Satz 2 SGB X). Nach Vor­la­ge des Bescheids kann dann Wider­spruch ein­ge­legt werden.

Wenn das Jugend­amt den­noch kei­nen Bescheid erlas­sen soll­te, besteht die Mög­lich­keit, auch ohne einen Wider­spruchs­be­scheid direkt beim Ver­wal­tungs­ge­richt zu kla­gen. Aller­dings kann die Kla­ge erst nach Ablauf von drei Mona­ten seit dem Antrag auf Vor­nah­me des Ver­wal­tungs­akts ein­ge­reicht wer­den. Es han­delt sich dabei um eine soge­nann­te Untä­tig­keits­kla­ge, die in § 75 VwGO gere­gelt ist. Eine Aus­nah­me gilt, wenn wegen beson­de­rer Umstän­de des Falls eine kür­ze­re Frist gebo­ten ist.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 11.7.

11.5. Befris­tung: Ich habe einen Bescheid für eine Fami­li­en­hil­fe vom Jugend­amt bekom­men. Die­se Hil­fe soll aber befris­tet sein auf ein Jahr. Ist das rechtens?

In § 31 Abs.1 Satz 2 SGB VIII ist fest­ge­legt, dass die Fami­li­en­hil­fe „in der Regel auf län­ge­re Dau­er“ ange­legt ist. Dies bedeu­tet meis­tens zunächst einen Ein­satz­zeit­raum von etwa 1 bis 2 Jah­ren. Die Fami­li­en­hil­fe kann aber durch­aus auch län­ger gewährt werden.

Kurz vor Ablauf des Bewil­li­gungs­zeit­raums soll­te – wie bereits vor der Bewil­li­gung der Hil­fe — ein erneu­tes Hil­fe­plan­ge­spräch anbe­raumt wer­den. In die­sem soll­ten die Eltern zusam­men mit der Fami­li­en­hil­fe und dem Jugend­amt den bis­he­ri­gen Ver­lauf der Hil­fe, die Ent­wick­lun­gen inner­halb der Fami­lie und die Errei­chung der anfangs auf­ge­stell­ten Hil­fe­zie­le bespre­chen und beur­tei­len. Anhand die­ser Beur­tei­lun­gen und der Ein­schät­zung vor allem der betei­lig­ten Fach­kräf­te (Jugend­amt und Fami­li­en­hil­fe) wird dann eine Pro­gno­se getrof­fen, ob die Hil­fe geeig­net gewe­sen ist und wei­ter­hin benö­tigt wird. Nur wenn bei­des bejaht wird, wird die Hil­fe auch verlängert.

Wer noch mehr zum The­ma Fami­li­en­hil­fe wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 6.1

11.6. Kei­ne Ent­schei­dung: Ich habe vor zwei Mona­ten einen Antrag auf Hil­fe beim Jugend­amt gestellt. Es tut sich aber nichts. Was kann ich tun?

In der Pra­xis kommt es teil­wei­se zu erheb­li­chen War­te­zei­ten bis zur Ent­schei­dung über den Hilfeantrag.

Die Grün­de hier­für kön­nen viel­fäl­tig sein. Öffent­lich wird u. a. eine Über­las­tung der Jugend­äm­ter durch immer mehr Auf­ga­ben bei zu gerin­gem Per­so­nal. Gegen­über den in den Jugend­äm­tern täti­gen Fach­kräf­ten ist daher häu­fig auch aus ombud­schaft­li­cher Per­spek­ti­ve Ver­ständ­nis für die beruf­li­che Situa­ti­on und Belas­tung, ja teils hoher Respekt für den täg­li­chen Ein­satz unter schwie­ri­gen Bedin­gun­gen angezeigt.

Den­noch legi­ti­mie­ren sol­che Über­las­tun­gen aber Frist­über­schrei­tun­gen im Ein­zel­fall nicht, da vor­ran­gig gilt, dass struk­tu­rel­le / orga­ni­sa­to­ri­sche Pro­ble­me von Behör­den eben nicht zu Las­ten der Leis­tungs­be­rech­tig­ten aus­ge­tra­gen wer­den dürfen.

Für die Antrag­stel­le­rin­nen besteht neben der Opti­on des Abwar­tens und des Drän­gelns das Recht, die Leis­tung ent­we­der vor Gericht im Wege eines Eil­ver­fah­rens ein­zu­kla­gen oder sie unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen sogar selbst zu beschaffen.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 11.8.

11.7. Fris­ten: Gibt es Fris­ten für die Bear­bei­tung von Anträgen?

Jugend­äm­ter sind ‑wie ande­re Sozi­al­leis­tungs­trä­ger auch- ver­pflich­tet, dar­auf hin­zu­wir­ken, dass jede Berech­tig­te die ihr zuste­hen­den Sozi­al­leis­tun­gen in zeit­ge­mä­ßer Wei­se, umfas­send und zügig erhält (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Eine kon­kre­te Fris­ten­re­ge­lung, was „zügig“ bedeu­tet oder die vor­gibt, inner­halb wel­cher Zeit auf einen Leis­tungs­an­trag reagiert wer­den muss, gibt es für die Jugend­äm­ter jedoch nicht. Nur wenn das Jugend­amt als Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger, also im Rah­men von Ein­glie­de­rungs­hil­fe für Min­der­jäh­ri­ge mit einer (dro­hen­den) see­li­schen Behin­de­rung (§ 35a SGB VIII), tätig wird, gel­ten die deut­li­chen Zeit­vor­ga­ben des SGB IX.

Der Umgang mit War­te­zei­ten kann für Leis­tungs­be­rech­tig­te sehr belas­tend sein. Aus den gericht­li­chen Kla­ge­fris­ten sowie der Frist für die Untä­tig­keits­kla­ge lei­tet man im All­ge­mei­nen ab, dass eine War­te­zeit von drei Mona­ten nach Antrag­stel­lung zu akzep­tie­ren sind. Wenn aber beson­de­re Dring­lich­keits­er­for­der­nis­se im Ein­zel­fall eine schnel­le­re Ent­schei­dung nötig machen, muss das Jugend­amt auch schnel­ler entscheiden.

In sol­chen Eil­fäl­len ist das Jugend­amt am bes­ten schon bei der Antrag­stel­lung auf das beson­de­re Eil­be­dürf­nis hin­zu­wei­sen und die­ses aus­führ­lich zu begrün­den. Grün­de kön­nen zum Bei­spiel dro­hen­de Woh­nungs­lo­sig­keit ohne Über­brü­ckungs­ge­le­gen­heit oder der bevor­ste­hen­de Beginn eines Aus­bil­dungs­jahrs sein. Das Jugend­amt ist ver­pflich­tet, sol­che drin­gen­den Grün­de zu berück­sich­ti­gen und ggf. vor Ablauf der Frist zu entscheiden.

Je nach Ein­zel­fall kann und muss auch dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, bis wann die Ent­schei­dung benö­tigt wird.

Soll­te das Jugend­amt signa­li­sie­ren, dass es bis zu dem benann­ten Datum kei­ne Ent­schei­dung tref­fen wird und/​oder den gesam­ten Hil­fe­pro­zess nicht aus­rei­chend schnell in Gang set­zen, ist es oft hilf­reich anzu­kün­di­gen, dass man ande­ren­falls einst­wei­li­gen Recht­schutz vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt neh­men möch­te. Manch­mal reicht schon eine sol­che Ankün­di­gung, damit das Jugend­amt doch schnel­ler entscheidet.

Soll­te eine sol­che Ankün­di­gung beim Jugend­amt jedoch kei­ne beschleu­nig­te Bear­bei­tung des Antrags bewir­ken, kann ein Eil­an­trag beim Ver­wal­tungs­ge­richt – oder kor­rekt aus­ge­drückt: ein Antrag auf Rege­lung im einst­wei­li­gen Anord­nungs­ver­fah­ren – durch einen selbst ein­ge­legt werden.

Da die Vor­aus­set­zun­gen für ein erfolg­rei­ches Eil­ver­fah­ren jedoch recht kom­pli­ziert sind, emp­fiehlt es sich durch­aus, eine in dem Kin­der- und Jugend­hil­fe­recht erfah­re­ne Rechts­an­wäl­tin zu Hil­fe zu neh­men. Die Kos­ten für die anwalt­li­che Ver­tre­tung sind nur dann zu tra­gen, wenn der Eil­an­trag vom Gericht abge­wie­sen wur­de. Man­che Ombuds­stel­len haben einen Fonds, um auch für den Fall der Ableh­nung die anwalt­li­chen Kos­ten zu über­neh­men. Dies ist jedoch in jedem ein­zel­nen Fall vor­her mit der Ombuds­stel­le zu besprechen.

Soll­ten drei Mona­te nach der Antrag­stel­lung ver­stri­chen sein und das Jugend­amt trotz (mehr­fa­chen) Nach­ha­kens kei­ne Ent­schei­dung tref­fen, bie­tet es sich an, beim Ver­wal­tungs­ge­richt Untä­tig­keits­kla­ge zu erhe­ben. Mit ihr wird kei­ne Ent­schei­dung in der Sache getrof­fen, son­dern das Jugend­amt erhält noch ein­mal auch von Sei­ten des Ver­wal­tungs­ge­richts den Druck, nun end­lich tätig zu werden.

Und wenn trotz alle­dem nichts pas­siert und auch das Eil­ver­fah­ren lan­ge dauert?

Wenn über­haupt kein War­ten mehr mög­lich ist – denn auch Eil­ver­fah­ren vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt kön­nen gut und ger­ne ein paar Mona­te in Anspruch neh­men – dann kommt ganz aus­nahms­wei­se auch ein­mal eine soge­nann­te „Selbst­be­schaf­fung“ in Betracht. Das bedeu­tet, dass man die bean­trag­te Leis­tung ein­fach schon in Anspruch nimmt, noch bevor das Jugend­amt sie bewil­ligt hat, dar­auf ver­trau­end, dass die Leis­tung zu einem spä­te­ren Zeit­punkt bewil­ligt und die Kos­ten für sie nach­träg­lich vom Jugend­amt über­nom­men werden.

Mit der Inan­spruch­nah­me der Leis­tung geht also immer ein gewis­ses Risi­ko ein­her, dass im Nach­hin­ein doch kei­ne Bewil­li­gung durch das Jugend­amt erfolgt und man selbst auf den – häu­fig nicht gera­de nied­ri­gen – Kos­ten hän­gen­bleibt. Man soll­te die­sen Weg also nur wäh­len, wenn man sich sicher ist, dass die Vor­aus­set­zun­gen für die „Selbst­be­schaf­fung“ vorliegen.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 11.8.

11.8. Selbst­be­schaf­fung: Unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ist eine Selbst­be­schaf­fung möglich?

Im Kin­der- und Jugend­hil­fe­recht hat der Gesetz­ge­ber betont, dass grund­sätz­lich die Jugend­äm­ter das Ent­schei­dungs­pri­mat über die Gewäh­rung von Hil­fen haben. Sie sind zur Kos­ten­über­nah­me einer Hil­fe nur dann ver­pflich­tet, wenn sie auf der Grund­la­ge ihrer Ent­schei­dung nach Maß­ga­be des Hil­fe­plans unter Beach­tung des Wunsch- und Wahl­rechts erbracht wird (§ 36a Abs. 1 SGB VIII).

Aller­dings ist das Jugend­amt unter engen Vor­aus­set­zun­gen auch zu einer Erstat­tung der Kos­ten für eine selbst­be­schaff­te Hil­fe ver­pflich­tet. Dem Jugend­amt muss ein soge­nann­tes “Sys­tem­ver­sa­gen” nach­ge­wie­sen wer­den. Die Vor­aus­set­zun­gen für eine Selbst­be­schaf­fung sind in § 36a Abs. 3 SGB VIII geregelt:

  • die Leis­tungs­be­rech­tig­te hat das Jugend­amt vor der Selbst­be­schaf­fung über den Hil­fe­be­darf in Kennt­nis gesetzt (und einen ent­spre­chen­den Antrag gestellt),
  • sämt­li­che Vor­aus­set­zun­gen für die Gewäh­rung der Hil­fe lagen zum Zeit­punkt der Selbst­be­schaf­fung vor und
  • die Deckung des Bedarfs hat kei­nen zeit­li­chen Auf­schub bis zu einer Ent­schei­dung des Jugend­am­tes über die Gewäh­rung der Leis­tung oder bis zu einer Ent­schei­dung über den Wider­spruch oder über die Kla­ge auf eine zu Unrecht abge­lehn­ten Leis­tung geduldet.

Not­wen­dig ist eine prä­zi­se Begrün­dung, war­um die Leis­tung unauf­schieb­bar erfor­der­lich ist. Fer­ner ist eine „ange­mes­se­ne“ Frist­set­zung gegen­über dem Jugend­amt vor der Selbst­be­schaf­fung sehr wich­tig, um dem Jugend­amt zunächst Gele­gen­heit zum Tätig­wer­den zu geben. Emp­feh­lens­wert ist eine Frist von min­des­tens zwei Wochen zu gewäh­ren. In man­chen Fäl­len bewirkt bereits eine sol­che Andro­hung der Selbst­be­schaf­fung, dass der Antrag zügig bear­bei­tet wird.

Die Mög­lich­keit der Selbst­be­schaf­fung kann folg­lich sehr effek­tiv sein, wenn die Leis­tungs­be­rech­tig­ten die not­wen­di­gen finan­zi­el­len Mit­tel zur Bezah­lung der Leis­tung selbst auf­brin­gen kön­nen. Sie tra­gen dann aber auch das hohe Risi­ko, auf den Kos­ten letzt­lich sit­zen­zu­blei­ben, soll­ten sie in einem spä­te­ren Recht­streit die Erstat­tung nicht durch­set­zen kön­nen. Manch­mal gehen auch freie Trä­ger der Jugend­hil­fe das Kos­ten­ri­si­ko ein und gehen in Vor­leis­tung, um die Jugend­li­chen zu unterstützen.

Wenn das Jugend­amt sich an alle Ter­mi­ne hält und im Kon­takt bleibt, ist eine Selbst­be­schaf­fung nicht möglich.

Die Selbst­be­schaf­fung ist nicht für alle Hil­fen mög­lich, son­dern ledig­lich für die Hil­fen zur Erzie­hung, die Hil­fen für jun­ge Voll­jäh­ri­ge und die Hil­fen für see­lisch behin­der­te Kin­der und Jugendliche.

Im Fall von Ein­glie­de­rungs­hil­fe für Kin­der und Jugend­li­che mit einer (dro­hen­den) kör­per­li­chen oder geis­ti­gen Behin­de­rung besteht gegen­über dem Trä­ger der Sozi­al­hil­fe bezie­hungs­wei­se Ein­glie­de­rungs­hil­fe­trä­ger ein par­al­le­les Recht auf Selbst­be­schaf­fung gemäß § 18 Abs. 6 SGB IX. Für das Jugend­amt als Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger greift die­se Vor­schrift neben § 36a SGB VIII und gilt sogar vor­ran­gig (§ 7 Abs. 2 SGB IX). Die die Leis­tungs­be­rech­tig­ten noch­mals stär­ker begüns­ti­gen­den Vor­ga­ben in § 18 Abs. 1 bis 5 SGB IX (unter ande­rem Ent­schei­dungs­frist von 2 Mona­ten mit sehr begrenz­ten Mög­lich­kei­ten der Ver­län­ge­rung) GEL­TEN HIN­GE­GEN NICHT für Kin­der- und Jugend­hil­fe (§ 18 Abs. 7 SGB IX).

Wenn man den Weg der Selbst­be­schaf­fung gehen möch­te, emp­fiehlt sich drin­gend eine vor­he­ri­ge Bera­tung durch Anwäl­tin­nen oder Ombudsstellen.

11.9. Ver­zö­ge­rung: Ich habe einen Antrag auf Hil­fe zur Erzie­hung beim Jugend­amt gestellt. Das Jugend­amt ent­schei­det aber nicht, son­dern schickt uns zu ande­ren Ämtern und will stän­dig Gut­ach­ten haben. Dadurch wird die Ent­schei­dung ver­zö­gert. Dür­fen die das?

Wenn der Ein­druck ent­steht, dass das Jugend­amt mit sei­nen Ver­wei­sen auf ande­re Ämter oder das stän­di­ge Nach­for­dern von Unter­la­gen ledig­lich eine Ent­schei­dung ver­zö­gert, dann kann freund­lich und ent­schie­den – und schrift­lich! – dar­auf hin­ge­wie­sen und eine Frist gesetzt wer­den. Nach deren Ablauf kann ein Eil­an­trag beim Ver­wal­tungs­ge­richt ein­ge­legt wer­den. Gege­be­nen­falls ist es auch gebo­ten, auf die soge­nann­te „Selbst­be­schaf­fung“ zurückzugreifen.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 11.8.

11.10. Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe und wer­de bald 18 Jah­re alt. Nun habe ich einen Antrag auf „Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge“ gestellt. Das reicht dem Jugend­amt aber nicht. Ich soll auf­schrei­ben, was ich alles noch nicht kann. Aber ich kann doch so vie­les. Muss ich mich beson­ders schlecht darstellen?

Natür­lich braucht sich nie­mand nur schlecht zu machen. Im Gegen­teil ist es wich­tig, auch die Aspek­te auf­zu­zei­gen, die die eige­nen Stär­ken dar­stel­len. Aber natür­lich ist zwin­gend auch her­aus­zu­ar­bei­ten, wes­halb man die Hil­fe über­haupt bean­sprucht, und zwar mög­lichst aus­führ­lich. Auch darf und soll das Bild, dass man von sich in der Begrün­dung auf­zeigt, rea­lis­tisch und umfas­send sein. Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge sol­len ja die­je­ni­gen jun­gen Men­schen erhal­ten, die sie benö­ti­gen. Dass sie sie benö­ti­gen, müs­sen sie dem Jugend­amt jeweils über­zeu­gend dar­stel­len. Das Gesetz schreibt in § 41 Abs. 1 SGB VIII vor, dass jun­ge Voll­jäh­ri­ge Hil­fe erhal­ten sol­len, wenn und solan­ge ihre Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung eine selbst­be­stimm­te, eigen­ver­ant­wort­li­che und selb­stän­di­ge Lebens­füh­rung nicht gewähr­leis­tet. Das sind lau­ter unbe­stimm­te Rechts­be­grif­fe, die für jeden ein­zel­nen jun­gen Voll­jäh­ri­gen fest­zu­stel­len und zu beja­hen sind und sich bei jedem jun­gen Voll­jäh­ri­gen, der die Hil­fe bean­tragt, ganz anders dar­stel­len dürften.

Gera­de jun­ge Voll­jäh­ri­ge haben es oft schwer, die ihnen zuste­hen­de Hil­fe durch­zu­set­zen. Durch die Geset­zes­än­de­rung wird unter­stri­chen, dass die­se Hil­fe gewährt wer­den muss und nur aus­nahms­wei­se von der Bewil­li­gung abge­se­hen wer­den kann. Und nur dann, wenn der jun­ge Mensch durch die Been­di­gung der Hil­fe nicht in sei­ner Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung gefähr­det wird. Soll­te man im Gespräch mit der Jugend­amts­mit­ar­bei­te­rin jedoch mer­ken, dass es mit der Bewil­li­gung der Hil­fe schwie­rig wer­den könn­te, ist es rat­sam, sich an eine der in jedem Bun­des­land exis­tie­ren­den Ombuds­stel­len zu wenden.

11.11. Auf­be­wah­rungs­fris­ten von Jugend­hil­fe­ak­ten: Ich war in den 90er Jah­ren in einer Jugend­hil­fe­ein­rich­tung unter­ge­bracht. Nun möch­te gern die­se Unter­la­gen vom Jugend­amt haben. Was kann ich tun?

Wenn der Auf­ent­halt in der Ein­rich­tung schon etwas län­ger her ist: die Akten über die Durch­füh­rung von Maß­nah­men exis­tie­ren nur noch im Ein­zel­fall in den Jugend­äm­tern vor Ort. Jedoch wer­den Akten nach Ablauf bestimm­ter Fris­ten (min­des­tens zehn Jah­re nach Abschluss der Maß­nah­me, maxi­mal 60 Jah­re nach Voll­jäh­rig­keit des ehe­ma­li­gen Heim­kin­des) dem zustän­di­gen Lan­des­ar­chiv zur Auf­be­wah­rung ange­bo­ten wer­den. Lei­der kann aus Kapa­zi­täts­grün­den nur ein klei­ner Teil der Akten auf­be­wahrt werden.

Wer noch mehr wis­sen möchte:

  • Recher­cher­at­ge­ber für alle Bun­des­län­der: beim Lan­des­ar­chiv Baden-Würt­tem­berg gibt es einen Recher­cher­at­ge­ber. Die­ser bezieht sich auf alle Bun­des­län­der und gibt Rat­schlä­ge für Such­ak­ti­vi­tä­ten: https://www.landesarchiv-bw.de/de/recherche/rechercheratgeber/71626
  • für Baden- Würt­tem­berg: für Anfra­gen­de, die aktu­ell in Baden-Würt­tem­berg leben oder die in einer Jugend­hil­fe­ein­rich­tung in Baden-Würt­tem­berg gelebt haben, gibt es eine Beson­der­heit: hier kön­nen sich Suchen­de direkt an das Lan­des­ar­chiv wen­den, wel­ches dann bei der Suche aktiv unter­stützt. Nähe­res hier­zu: heimerziehung-bw.de/
  • bei sons­ti­gen Fra­gen: seit Novem­ber 2020 gibt für die Betrof­fe­nen der Heim­erzie­hung in Baden-Würt­tem­berg eine eige­ne Infor­ma­ti­ons- und Bera­tungs­stel­le. Sie ist ange­sie­delt bei der Lan­des­om­buds­stel­le, die zum unab­hän­gi­gen Ombuds­sys­tem der Kin­der- und Jugend­hil­fe gehört.

12. Wel­che Rech­te habe ich, wenn ich in einer Jugend­hil­fe­ein­rich­tung (zum Bei­spiel einer Wohn­grup­pe lebe)?

12.1. Mit­be­stim­mung in WG: Ich lebe in einer WG und bin unzu­frie­den mit den Regeln dort. Kann ich an den Regeln etwas ändern?

Grund­sätz­lich ja! Kin­der und Jugend­li­che, die in Ein­rich­tun­gen leben, haben nach § 8 SGB VIII das Recht, an allen sie betref­fen­den Ent­schei­dun­gen mit­zu­wir­ken. Du lebst in einer WG und möch­test eigent­lich gern etwas an den Regeln dort ändern, das ist also Dein gutes Recht! Die WG ist Dein unmit­tel­ba­rer Lebens­mit­tel­punkt, des­halb ist es wich­tig, dass Du Dich dort wohl und sicher fühlst. Daher hast Du auch ein Mit­spra­che­recht. Du als jun­ger Mensch, der in einer WG lebt, soll­test dar­über mit­be­stim­men kön­nen, wel­che Regeln im Zusam­men­le­ben gel­ten sol­len. Auch müs­sen sich die Regeln an die Kin­der­rech­te hal­ten. In den Ein­rich­tun­gen soll­te es Betei­li­gungs­for­ma­te wie z.B. einen Heim­rat oder eine Grup­pen­spre­cher­kon­fe­renz geben.

Jede WG muss auch ein Beschwer­de­ver­fah­ren haben, wor­über Du Dei­ne Kri­tik äußern und Dich beschwe­ren kannst. Das ist gesetz­lich vor­ge­schrie­ben. Wenn Du nicht weißt, wie das Beschwer­de­ver­fah­ren bei Euch funk­tio­niert, dann gibt es noch wei­te­re Mög­lich­kei­ten, wie Du ver­su­chen kannst Dei­ne Mei­nung über die Regeln in Dei­ner WG zu äußern zum Beispiel

  • kannst Du mit Dei­ner Bezugs­be­treue­rin dar­über sprechen.
  • kannst Du es im Grup­pen­abend mit den ande­ren Bewoh­ne­rin­nen ansprechen.
  • kannst Du mit Eurer Ver­trau­ens­er­zie­he­rin der WG sprechen.
  • kannst Du Dich münd­lich oder schrift­lich an die Ein­rich­tungs­lei­tung wenden.
  • kannst Du auch Dei­ne zustän­di­ge Sozi­al­ar­bei­te­rin im Jugend­amt anrufen

Im Kin­der- und Jugend­hil­fe­ge­setz (SGB VIII) steht seit Juni 2021 auch, dass sich jun­ge Men­schen aus der Erzie­hungs­hil­fe zu Grup­pen zusam­men­schlie­ßen sol­len. Jugend­äm­ter sol­len mit die­sen Grup­pen sogar zusam­men­ar­bei­ten. Also: wer­de poli­tisch! Setz Dich für Dei­ne Rech­te ein! Fin­de her­aus, ob es in Dei­ner Nähe schon Selbst­ver­tre­tungs­struk­tu­ren gibt oder grün­de selbst welche!

Wenn Du aber der Mei­nung bist, das nützt alles nichts und Dei­ne Mei­nung fin­det ein­fach kei­ne Beach­tung, dann wen­de Dich an eine unab­hän­gi­ge Ombuds- und Beschwer­de­stel­le. Du hast ein Recht dar­auf Dir Hil­fe zu holen. Das kann Dir nie­mand ver­bie­ten! Das steht im Gesetz! Hier fin­dest du die Kon­takt­da­ten zur Ombuds- und Beschwer­de­stel­le in dei­nem Bun­des­land: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/

12.2. Pri­vat­sphä­re: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe. Dort sind vor kur­zem die Türen aus­ge­baut wor­den, weil wir uns nicht an die Regeln gehal­ten haben. Ist das so zulässig?

Türen aus­zu­bau­en ist ein kla­rer Ver­stoß gegen die Per­sön­lich­keits­rech­te von Kin­dern und Jugend­li­chen. Allein, wenn eine Betreue­rin, ohne anzu­klop­fen das Zim­mer betritt, ist das nicht in Ord­nung. Das Zim­mer ist ein Pri­vat­be­reich, der (grund­recht­lich) geschützt ist. Dies ist zudem eine schwer­wie­gen­de Maß­nah­me, die ver­mu­ten lässt, dass in der Grup­pe kei­ne bzw. nur weni­ge Regeln ein­ge­hal­ten wer­den und unter Umstän­den auch Über­grif­fe stattfinden.

Eigent­lich soll­te es Grup­pen­ge­sprä­che in der Wohn­grup­pe geben, in denen die­se extre­me Situa­ti­on bespro­chen wird. Was ist Sicht der Kin­der und Jugend­li­chen und was ist die Sicht der Betreue­rin­nen? Lösun­gen fin­det Ihr am bes­ten, wenn Ihr euch gegen­sei­tig zuhört und zusam­men über­legt, was Ihr tun könnt.

Mög­li­cher­wei­se ist die Grup­pen­si­tua­ti­on so schwie­rig, dass eine Lösung nur mit Hil­fe von außen gefun­den wer­den kann. In jeder und für jede Ein­rich­tung soll­te es eine Beschwer­de­stel­le oder eine Ansprech­per­son für Beschwer­den geben. Auch an die­se könnt Ihr euch wen­den und auf die Situa­ti­on hin­wei­sen. Ansons­ten kön­nen auch Ombuds­stel­len bei sol­chen Fra­gen und Pro­ble­men weiterhelfen.

Als eine wei­te­re Mög­lich­keit besteht der Weg zur „Heim­auf­sicht“ (§ 46 SGB VIII), die beim Lan­des­ju­gend­amt liegt. Die Heim­auf­sicht hat dar­auf zu ach­ten und kann das auch gegen­über der Ein­rich­tungs­lei­tung ein­for­dern, dass die Türen wie­der ein­ge­hängt wer­den und eure Pri­vat­sphä­re geschützt wird. Die Heim­auf­sicht will auch wis­sen, was dazu geführt hat, die Türen aus­zu­bau­en und auch sie ist dar­an inter­es­siert, dass Ihr Grup­pen­re­geln für ein posi­ti­ves Zusam­men­le­ben erarbeitet.

12.3. Taschen­geld: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe und bekom­me weni­ger Taschen­geld als die ande­ren Jugend­li­chen. Ist das rich­tig so?

Prin­zi­pi­ell gilt: Kin­der und Jugend­li­che haben ein Recht auf Taschen­geld. Dies ist in § 39 SGB VIII (Kin­der- und Jugend­hil­fe) gere­gelt. Dort wird der ange­mes­se­ne Bar­be­trag gere­gelt, wel­cher Euch zur Ver­fü­gung steht. Die Höhe ist nach Alters­grup­pen gestaf­felt. Somit kann es sein, dass Kin­der und Jugend­li­che unter­schied­li­che Taschen­geld­be­trä­ge inner­halb einer Ein­rich­tung zur Ver­fü­gung haben. Hier­zu gibt es aktu­el­le Lis­ten im Jugend­amt, wel­che Ihr ein­se­hen könnt. Dabei könnt Ihr Euch ger­ne Unter­stüt­zung bei Euren Betreue­rin­nen suchen.

Über die­sen Betrag könnt Ihr frei ent­schei­den. Mit dem Taschen­geld sollt Ihr unter ande­rem ler­nen selb­stän­di­ge Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und ein Ver­ständ­nis zu bekom­men, was es bedeu­tet ein Eigen­tum zu haben. Letzt­lich geht es um einen wei­te­ren Schritt für die zukünf­ti­ge Zeit Eurer Selb­stän­dig­keit nach der Hil­fe zur Erzie­hung. Wich­tig ist, dass Taschen­geld nicht an ein bestimm­tes Ver­hal­ten Eurer­seits gebun­den ist. Somit ist Taschen­geld kein Erzie­hungs­mit­tel und schon gar nicht Druck- bezie­hungs­wei­se Straf­mit­tel Euch gegen­über. Letzt­lich sind Kür­zun­gen des Taschen­gel­des bezie­hungs­wei­se des­sen Vor­ent­hal­tun­gen nicht erlaubt. Betreue­rin­nen soll­ten Euch bei der Ver­wen­dung des Taschen­gel­des unter­stüt­zen und bera­ten. Ihr könnt mit den Beteu­ern Ver­ein­ba­run­gen zu den Aus­zah­lungs­re­ge­lun­gen tref­fen, wenn Ihr das wollt. So kann es sein, dass Ihr etwas anspa­ren wollt. Aller­dings darf Euch das nicht auf­ge­zwun­gen wer­den. Wenn Ihr damit Pro­ble­me habt, könnt ihr euch gern an eine ombud­schaft­li­che Bera­tungs­stel­le wen­den. Bes­ser wäre natür­lich zuerst ein klä­ren­des Gespräch in Eurer Einrichtung.

12.4. Taschen­geld: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe und bekom­me nicht das vol­le Taschen­geld. Wie kann ich mich dage­gen wehren?

Das Taschen­geld steht Dir natür­lich in vol­ler Höhe zu. Dies ist im §39 SGB VIII (Kin­der- und Jugend­hil­fe) gere­gelt. Dort wird der ange­mes­se­ne Bar­be­trag gere­gelt, wel­cher Euch zur Ver­fü­gung steht. Du kannst frei dar­über ver­fü­gen. Dabei gilt für Dich der soge­nann­te Taschen­geld­pa­ra­graf im Bür­ger­li­chen Gesetz­buch (§ 110BGB).

Der besagt, dass Du je nach Alter ent­spre­chen­de Din­ge kau­fen kannst und Dir die Mit­ar­bei­ten­den Dei­ner Wohn­grup­pe kei­ne Vor­schrif­ten machen können!

Wenn Du nun Pro­ble­me hast, die Dein Taschen­geld betref­fen, soll­test Du als ers­tes mit Dei­ner Bezugs­mit­ar­bei­te­rin reden. Wenn das nicht funk­tio­niert, wen­de Dich an die Beschwer­de­stel­le Dei­ner Ein­rich­tung. Dies kann zum Bei­spiel ein Brief­kas­ten in Dei­ner Ein­rich­tung oder eine Sprech­stun­de der Ver­trau­ens­mit­ar­bei­te­rin sein. Hier musst du Dich erkundigen.

Falls das auch nicht klappt, kannst Du Dich an eine Ombuds­stel­le wen­den. Die für Dich zustän­di­ge Ombuds­stel­le fin­dest Du hier: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen

Es gibt aber auch Aus­nah­men, dass etwas von Dei­nem Taschen­geld abge­zo­gen wird. Zum Bei­spiel wenn Du auf den Füh­rer­schein spa­ren willst und dafür etwas zurück­ge­legt wird. Aber das musst Du selbst wol­len und dem zustim­men. Oder wenn Du mal etwas kaputt gemacht hast und Du zur Wie­der­gut­ma­chung bereit bist. Auch hier gilt nur mit Dei­nem Ein­ver­ständ­nis (in der Regel wird dies im Hil­fe­plan­ge­spräch ver­ein­bart, so sind ist das Jugend­amt und Dei­ne Eltern infor­miert). Klar ist aber auf jeden Fall, dass nicht das gan­ze Taschen­geld ein­ge­setzt wer­den kann, son­dern ein Teil zu Dei­ner frei­en Ver­fü­gung blei­ben muss.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: https://www.taschengeldparagraph.com

12.5. Mobbing/​Diskriminierung: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe und bin dort dis­kri­mi­nie­ren­den Ausgrenzungen/​Beschimpfungen aus­ge­setzt. Was kann ich tun?

Dis­kri­mi­nie­run­gen sind Abwer­tun­gen oder Benach­tei­li­gun­gen bei­spiels­wei­se auf­grund Dei­nes Geschlechts, Dei­ner sexu­el­len Ori­en­tie­rung, Dei­nes Glau­bens oder Dei­ner Her­kunft. Dis­kri­mi­nie­rung zu erfah­ren, kann ver­let­zend und beschä­mend sein, es kann wütend machen und Dich hilf­los und schwach füh­len las­sen. Dies anzu­spre­chen ist nicht immer leicht, Dis­kri­mi­nie­run­gen zu erdul­den ist aber auch kei­ne Lösung. Du hast das Recht, nicht dis­kri­mi­niert zu wer­den. Zual­ler­erst ist es wich­tig, dass Du die Ruhe bewahrst, viel­leicht ist es sinn­voll die Dis­kri­mi­nie­rung zu doku­men­tie­ren, zum Bei­spiel indem Du auf­schreibst, was Dir pas­siert ist. Und vor allem ist es wich­tig, dass Du Dir sehr bald in Dei­nem Umfeld Unter­stüt­ze­rin­nen suchst. Wenn Du Dich in Dei­ner Wohn­grup­pe oder Pfle­ge­fa­mi­lie dis­kri­mi­niert fühlst, kannst Du Dein Erleb­nis Dei­nen Freun­din­nen, Betreue­rin­nen oder einer Per­son, der Du ver­traust, erzäh­len und um Unter­stüt­zung bitten.

In vie­len Ein­rich­tung gibt es eine Ver­trau­ens­er­zie­he­rin oder eine Beschwer­de­stel­le, an die Du Dich wen­den kannst. Natür­lich kannst Du Dich aber auch an die Bereichs­lei­tung, Ein­rich­tungs­lei­tung, Dei­ne Vor­mun­din oder die für Dich zustän­di­ge Ansprech­part­ne­rin im Jugend­amt wen­den. Wenn Du das Gefühl hast, Du wirst mit Dei­ner Beschwer­de nicht ernst genom­men oder Du kommst nicht wei­ter, kannst Du Dich auch an eine Ombuds­stel­le wen­den. Auch wenn Du befürch­test, dass eine Beschwer­de in der Ein­rich­tung Nach­tei­le für Dich mit sich brin­gen wird, kannst Du Unter­stüt­zung von einer Ombuds­stel­le erhal­ten. Die Mit­ar­bei­ten­den dort hel­fen Dir dabei, die Situa­ti­on auf­zu­klä­ren und die rich­ti­gen Wege zu fin­den. Die für Dich zustän­di­ge Ombuds­stel­le fin­dest Du unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de

12.6. Beschwer­de bei Gewalt: Ich lebe in einem Heim und erle­be Gewalt durch Betreue­rin­nen. Bei wem kann ich mich beschweren?

Wohn­grup­pen müs­sen ein siche­rer Ort für jun­ge Men­schen sein. Kin­der und Jugend­li­che haben ein Recht auf gewalt­freie Erzie­hung. Dies bedeu­tet, dass Dich nie­mand schla­gen, ver­let­zen, belei­di­gen, demü­ti­gen, bedro­hen oder zu sexu­el­len Hand­lun­gen zwin­gen darf.

(Nur dann, wenn ein Kind oder eine Jugend­li­che sich selbst oder ande­re gefähr­det, kön­nen die Betreue­rin­nen ihn es fest­hal­ten oder dar­an hin­dern die Grup­pe zu verlassen.)

Wer­den Dei­ne Rech­te nicht gewahrt und Du erfährst Gewalt, soll­test Du Dich beschwe­ren und dar­auf auf­merk­sam machen. Du kannst die wei­te­ren Betreue­rin­nen Dei­ner Grup­pe dar­auf anspre­chen, schil­dern was Du erlebt hast und um Hil­fe bit­ten. In vie­len Ein­rich­tung gibt es eine Beschwer­de­stel­le oder so etwas wie eine Ver­trau­ens­er­zie­he­rin. Natür­lich kannst Du Dich aber auch an die Bereichs­lei­tung, Ein­rich­tungs­lei­tung, Dei­ne Vor­mun­din oder Dein zustän­di­ges Jugend­amt wen­den. Wenn Du das Gefühl hast, Du wirst mit Dei­ner Beschwer­de nicht ernst genom­men und kommst nicht wei­ter, gibt es außer­dem die Mög­lich­keit, sich an eine Ombuds­stel­le zu wen­den. Auch wenn Du befürch­test, dass Du unter Kon­se­quen­zen zu lei­den hast, wenn Du Dich über die Ein­rich­tung beschwerst, kannst Du Unter­stüt­zung von einer Ombuds­stel­le erhal­ten. Die Mit­ar­bei­ten­den dort hel­fen Dir die Situa­ti­on auf­zu­klä­ren und die rich­ti­gen Wege zu fin­den. Sie unter­stüt­zen Dich bei Gesprä­chen mit den ent­spre­chen­den Stel­len und sor­gen mit Dir gemein­sam dafür, dass Du Dich in Dei­ner Ein­rich­tung wie­der sicher füh­len kannst oder ein neu­er Ort für Dich gefun­den wird.

Die für Dich zustän­di­ge Ombuds­stel­le fin­dest Du unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de

12.7. Regeln in Wohn­grup­pe: Mein Kind lebt in einer Jugend­hil­fe-Wohn­grup­pe. Nun hat dort die Lei­tung gewech­selt und die­se hat neue Regeln ver­kün­det. Die­se Regeln pas­sen mir als Eltern­teil nicht. Was kann ich tun?

Als Eltern­teil haben Sie die Mög­lich­keit, Infor­ma­tio­nen über den All­tag in der Wohn­grup­pe Ihres Kin­des zu bekom­men. Auch dazu, wel­che Regeln es dort gibt. Regeln struk­tu­rie­ren den All­tag in den Ein­rich­tun­gen und sind wich­tig für das Zusam­men­le­ben. Wenn Sie die­se Regeln nicht nach­voll­zie­hen kön­nen, fra­gen Sie in der Ein­rich­tung, war­um es die­se Regeln gibt. Wenn nichts Ande­res fest­ge­legt ist (bei­spiels­wei­se vom Jugend­amt oder vom Gericht) dann müs­sen die Fach­kräf­te in der Wohn­grup­pe auch mit Ihnen zusam­men­ar­bei­ten. Eltern­ar­beit ist ein wich­ti­ger Aspekt bei sta­tio­nä­ren Erzie­hungs­hil­fen. Das heißt, wenn Sie mit den Regeln unzu­frie­den sind, dann soll­ten Sie das äußern. Jede Wohn­grup­pe soll­te ein Beschwer­de­ver­fah­ren haben, wor­über Sie Ihre Kri­tik äußern und sich beschwe­ren kön­nen. Das ist gesetz­lich vor­ge­schrie­ben (§45, Abs. 2, Nr. 4 SGB VIII). 

Sie wis­sen nicht, wie das Beschwer­de­ver­fah­ren in der Ein­rich­tung funk­tio­niert? Dann gibt es noch wei­te­re Mög­lich­kei­ten, wie Sie ver­su­chen kön­nen, sich über die Regeln in der Wohn­grup­pe zu äußern, zum Beispiel

-kön­nen Sie mit der Bezugs­be­treue­rin Ihres Kin­des spre­chen und Ihre Kri­tik äußern.

-kön­nen Sie die Team­lei­tung der Wohn­grup­pe kon­tak­tie­ren und um ein Gespräch bitten.

-kön­nen Sie sich münd­lich oder schrift­lich direkt an die Ein­rich­tungs­lei­tung wenden.

-kön­nen Sie mit Ihrer zustän­di­gen Sozi­al­ar­bei­te­rin im Jugend­amt dar­über spre­chen und sie über die Ände­rung der Regeln infor­mie­ren. Auch im Hil­fe­plan­ge­spräch kann das the­ma­ti­siert werden.

Wenn Sie der Ansicht sind, dass das alles kei­nen Zweck hat oder Sie es schon auf die­se Wei­se pro­biert haben, dann haben Sie das Recht, sich Unter­stüt­zung bei einer Ombuds- und Beschwer­de­stel­le zu suchen (§9a SGB VIII). Hier fin­den Sie die Kon­takt­da­ten zur Ombuds­stel­le in Ihrem Bun­des­land: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/.

Im Kin­der- und Jugend­hil­fe­ge­setz steht seit Juni 2021, dass sich Eltern mit Erfah­run­gen in der Erzie­hungs­hil­fe zu Grup­pen zusam­men­schlie­ßen sol­len (§ 4a SGB VIII). Jugend­äm­ter sol­len mit die­sen Grup­pen sogar zusam­men­ar­bei­ten. Also tun Sie sich zusam­men, set­zen Sie sich für Ihre Rech­te ein! Grün­den Sie mit ande­ren Eltern Interessensvertretungen!

13. Mut­ter- bzw. Vater- Kind Wohnen/​Fami­li­en­woh­nen nach §19 SGB VIII

13.1. Fami­li­en-WG: Ich soll mit mei­nem Kind in eine Mut­ter-Kind-Ein­rich­tung zie­hen. Ich möch­te aber, dass mein Part­ner auch dort mit ein­zieht. Gibt es auch sol­che Angebote? 

In § 16 SGB VIII ist gere­gelt, dass Fami­li­en in der Erzie­hung unter­stützt wer­den, in § 19 SGB VIII ist fest­ge­legt, dass Müt­ter und Väter auch gemein­sam in sol­chen Ein­rich­tun­gen leben kön­nen. In der seit dem 10.06.2021 gel­ten­den Geset­zes­än­de­rung wird die­se Opti­on noch ein­mal gestärkt und aus­drück­lich dar­auf ver­wie­sen, dass der “…ande­re Eltern­teil oder eine Per­son, die für das Kind tat­säch­lich sorgt, in die Leis­tung ein­be­zo­gen wer­den…” (§ 19 Absatz 2 SGB VIII). Dadurch wird die Berück­sich­ti­gung der Bedürf­nis­se aller Fami­li­en­mit­glie­der betont. Es ist aller­dings eine Ermes­sens­ent­schei­dung und muss in jedem Ein­zel­fall bespro­chen wer­den. Die Auf­nah­me bei­der Eltern ist nur dann mög­lich, wenn es den Zie­len der Hil­fe ent­spricht und aus fach­li­cher Sicht dadurch kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen. Die Ein­be­zie­hung des ande­ren Eltern­teils kann eine wich­ti­ge Ergän­zung sein, um den Kon­takt des Kin­des zu bei­den Eltern zu för­dern und die Erar­bei­tung einer lang­fris­ti­gen Per­spek­ti­ve zu ent­wi­ckeln. Es soll auch den Vätern die Mög­lich­keit geben, eine ver­ant­wor­tungs­vol­le und ver­läss­li­che Bezie­hung zu ihren Kin­dern zu entwickeln. 

Die Jugend­äm­ter ver­mit­teln die­se Ange­bo­te. Es gibt aller­dings der­zeit noch nicht vie­le Ein­rich­tun­gen, die bei­de Eltern auf­neh­men können. 

13.2. Ich lebe mit mei­nem Kind in einer Mut­ter- und Kind- Ein­rich­tung. Mein Part­ner, der auch der Vater des Kin­des ist, möch­te an den Wochen­en­den bei mir in der Ein­rich­tung über­nach­ten. Die Ein­rich­tung ver­bie­tet das. Darf sie das?

Wenn ein Eltern­teil mit einem oder meh­re­ren Kin­dern in einer Mutter/​Vater– Kind- Ein­rich­tung lebt, hat der ande­re Eltern­teil grund­sätz­lich Anspruch auf Umgang mit dem Kind, wenn die­ser nicht ein­ge­schränkt oder aus­ge­schlos­sen wur­de (§ 1684 BGB).

In wel­cher Form der Umgang statt­fin­det, soll­te am bes­ten in einem Gespräch mit dem Jugend­amt bespro­chen wer­den. Ob der ande­re Eltern­teil in der Ein­rich­tung über­nach­ten kann, hängt sicher davon ab, ob die Ein­rich­tung die­se Mög­lich­keit bie­tet und / oder ob es even­tu­ell Grün­de gibt, die dage­gen­spre­chen. Dies kann zum Bei­spiel der Fall sein, wenn dadurch eine Gefähr­dung des Kin­des gese­hen wird.

Wenn eine Über­nach­tung eines Eltern­teils von bei­den gewünscht wird und aus Sicht des Jugend­am­tes kei­ne Grün­de dage­gen­spre­chen, soll­te schon bei der Aus­wahl der Ein­rich­tung dar­auf geach­tet wer­den, ob dies in der Ein­rich­tung mög­lich ist

14. Geschlos­se­ne Unterbringung

14.1. Geschlos­se­ne Unter­brin­gung: Das Jugend­amt will, dass mein Kind geschlos­sen unter­ge­bracht wird. Ich will das nicht. Was kann ich als Mut­ter tun?

Eine geschlos­se­ne Unter­brin­gung kann nur nach § 1631 b BGB statt­fin­den, das heißt, nur mit einer Geneh­mi­gung des Fami­li­en­ge­richts. Eine geschlos­se­ne Unter­brin­gung ist ein mas­si­ver Ein­griff in die per­sön­li­che Frei­heit. Den Antrag dazu kön­nen nur die Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten oder (falls bestellt) eine Ergän­zungs­pfle­ge­rin / Amts­vor­mun­din stel­len. Die geschlos­se­ne Unter­brin­gung oder frei­heits­ent­zie­hen­de Maß­nah­me muss dem Wohl des Kin­des die­nen und darf nur so lan­ge andau­ern, wie es das Wohl des Kin­des erfor­der­lich macht. Und es darf nur zu so einer Unter­brin­gung kom­men, wenn die Gefahr nicht durch ande­re Hil­fe bear­bei­tet wer­den kann. Es muss genau fest­ge­legt wer­den, wo, war­um und wie lan­ge die Maß­nah­me andau­ern soll. In dem Ver­fah­ren vor dem Fami­li­en­ge­richt wird eine Ver­fah­rens­bei­stän­din für das Kind benannt und es fin­det min­des­tens eine per­sön­li­che Anhö­rung des Kin­des statt. Es gibt sehr vie­le Vor­schrif­ten für solch ein Ver­fah­ren und eine der­ar­ti­ge Unterbringung. 

Wer noch mehr wis­sen möchte:

-Schau­en Sie auf www.freiheitsentzug.info nach, wel­che Vor­schrif­ten hier gelten.

-Rechts­gut­ach­ten zur geschlos­se­nen Unter­brin­gung: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/veroeffentlichungen/.

-Fra­gen oder zur Unter­stüt­zung kön­nen Sie sich auch an eine Ombuds­stel­le wen­den. Die für Sie zustän­di­ge Stel­le fin­den Sie unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de

14.2. Geschlos­se­ne Unter­brin­gung: Ich lebe schon lan­ge in einer Pfle­ge­fa­mi­lie. Nun gehe ich schon seit einem hal­ben Jahr nicht mehr in die Schu­le, weil ich gemobbt wer­de. Das Jugend­amt will, dass ich nun in ein geschlos­se­nes Heim ein­ge­wie­sen wer­de. Ich will das nicht. Was kann ich tun?

Die geschlos­se­ne Unter­brin­gung muss durch die Sor­ge­be­rech­tig­ten bean­tragt und vom Gericht geneh­migt wer­den. Außer­dem ist für das Ver­fah­ren eine Ver­fah­rens­bei­stän­din zwin­gend vom Gericht zu bestel­len, die das Inter­es­se des Kin­des fest­zu­stel­len und im gericht­li­chen Ver­fah­ren zur Gel­tung zu brin­gen hat. Es besteht auch die Mög­lich­keit, sich an die Ombuds­stel­le zu wenden.

Es ist ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ein­zu­ho­len, um die Not­wen­dig­keit und Sinn­haf­tig­keit einer Unter­brin­gung zu prü­fen. Es muss geklärt wer­den, was die geschlos­se­ne Unter­brin­gung bezwe­cken soll und war­um ande­re Maß­nah­men nicht mög­lich sind. Eine geschlos­se­ne Unter­brin­gung ist immer das letz­te Mit­tel in einer Rei­he von päd­ago­gi­schen Maß­nah­men. Ist noch nicht alles ver­sucht wor­den, ist eine geschlos­se­ne Unter­brin­gung recht­lich nicht zuläs­sig und die Rich­te­rin­nen wer­den das nicht erlau­ben. Mil­de­re Maß­nah­men ohne Grund­rechts­ein­schrän­kung haben Vorrang.

15. Hil­fe für jun­ge Volljährige

15.1. Voll­jäh­rig­keit: Was ändert sich, wenn ich 18 Jah­re alt werde?

Mit dem Geburts­tag ändert sich vie­les, Du wirst voll­jäh­rig. Damit musst Du vie­le Ent­schei­dun­gen selbst tref­fen, Dei­ne Eltern oder Dei­ne Vor­mun­din sind recht­lich nicht mehr für Dich zustän­dig. Natür­lich musst Du ab sofort nicht alles allein machen, son­dern kannst bei Bedarf auch auf die Ange­bo­te der Jugend­hil­fe zurück­grei­fen. Neu ist aber zum Bei­spiel, dass Du selbst den Antrag auf Wei­ter­be­wil­li­gung der Jugend­hil­fe stel­len darfst.

Tipp! Bevor Du Ver­trä­ge oder Anträ­ge unter­schreibst, die Dich recht­lich bin­den, besprich Dich vor­her mit einer für Dich ver­trau­ten Person.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: www.careleaver.de

15.2. Hil­fen für jun­ge Voll­jäh­ri­ge: Wel­che Ange­bo­te der Jugend­hil­fe kann ich nach mei­nem 18. Geburts­tag noch in Anspruch nehmen?

Jugend­hil­fe, die nach dem 18. Geburts­tag erbracht wird, nennt man nach dem Gesetz “Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge”. Die­se wird gewährt, wenn und solan­ge ihre Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung eine selbst­be­stimm­te, eigen­ver­ant­wort­li­che und selb­stän­di­ge Lebens­füh­rung nicht gewährleistet.

Traust Du Dir noch nicht zu, ohne Unter­stüt­zung durch die Jugend­hil­fe allei­ne zurecht zu kom­men? Hast Du das Gefühl, dass Du erst noch bestimm­te Fähig­kei­ten ler­nen oder stär­ken möch­test, bevor Du die Jugend­hil­fe ver­lässt, um selb­stän­dig zu leben?

Dann kannst Du einen Antrag auf Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge stel­len, in dem Du aus Dei­ner Sicht beschreibst, war­um Du die­se Hil­fe wei­ter benö­tigst. Grün­de dafür könn­ten zum Bei­spiel vor­lie­gen, wenn Du noch Hil­fe benö­tigst um die Schule/​Aus­bil­dung erfolg­reich abzu­schlie­ßen, um den Umgang mit Geld zu ler­nen oder um bestimm­te Fähig­kei­ten zu ver­bes­sern, wie zum Bei­spiel Kon­flikt­fä­hig­keit, Orga­ni­sa­ti­ons­fä­hig­keit, Durch­hal­te­ver­mö­gen oder die Fähig­keit sich in eine Gemein­schaft einzufügen. 

Auch wenn Du nach dei­nem 18. Geburts­tag kei­ne Ange­bo­te der Jugend­hil­fe mehr in Anspruch nimmst, kannst Du spä­ter wie­der zurück­kom­men, wenn Du erneut Unter­stüt­zung brauchst. Das steht in § 41 Abs. 1. Satz 3 SGB VIII.

Wenn du noch in der Jugend­hil­fe lebst und 21 Jah­re alt wirst, kann die Hil­fe nur noch in einem begrün­de­ten Ein­zel­fall und für einen begrenz­ten Zeit­raum bewil­ligt werden.

Stel­le Dei­nen Antrag recht­zei­tig! Einen Antrag auf Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge soll­test Du am bes­ten 6 Mona­te vor Dei­nem 18. Geburts­tag stellen.

Wer noch mehr wis­sen möch­te: www.careleaver.de

15.3. Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe und wer­de bald 18 Jah­re alt. Nun habe ich einen Antrag auf „Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge“ gestellt. Das reicht dem Jugend­amt aber nicht. Ich soll auf­schrei­ben, was ich alles noch nicht kann. Aber ich kann doch so vie­les. Muss ich mich beson­ders schlecht darstellen?

Natür­lich braucht sich nie­mand nur schlecht zu machen. Im Gegen­teil ist es wich­tig, auch die Aspek­te auf­zu­zei­gen, die die eige­nen Stär­ken dar­stel­len. Aber natür­lich ist zwin­gend auch her­aus­zu­ar­bei­ten, wes­halb man die Hil­fe über­haupt bean­sprucht, und zwar mög­lichst aus­führ­lich. Auch darf und soll das Bild, dass man von sich in der Begrün­dung auf­zeigt, rea­lis­tisch und umfas­send sein. Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge sol­len ja die­je­ni­gen jun­gen Men­schen erhal­ten, die sie benö­ti­gen. Dass sie sie benö­ti­gen, müs­sen sie dem Jugend­amt jeweils über­zeu­gend dar­stel­len. Das Gesetz schreibt in § 41 Abs. 1 SGB VIII vor, dass jun­ge Voll­jäh­ri­ge Hil­fe erhal­ten sol­len, wenn und solan­ge ihre Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung eine selbst­be­stimm­te, eigen­ver­ant­wort­li­che und selb­stän­di­ge Lebens­füh­rung nicht gewähr­leis­tet. Das sind lau­ter unbe­stimm­te Rechts­be­grif­fe, die für jeden ein­zel­nen jun­gen Voll­jäh­ri­gen fest­zu­stel­len und zu beja­hen sind und sich bei jedem jun­gen Voll­jäh­ri­gen, der die Hil­fe bean­tragt, ganz anders dar­stel­len dürften.

Gera­de jun­ge Voll­jäh­ri­ge haben es oft schwer, die ihnen zuste­hen­de Hil­fe durch­zu­set­zen. Durch die Geset­zes­än­de­rung wird unter­stri­chen, dass die­se Hil­fe gewährt wer­den muss und nur aus­nahms­wei­se von der Bewil­li­gung abge­se­hen wer­den kann. Und nur dann, wenn der jun­ge Mensch durch die Been­di­gung der Hil­fe nicht in sei­ner Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung gefähr­det wird. Soll­te man im Gespräch mit der Jugend­amts­mit­ar­bei­te­rin jedoch mer­ken, dass es mit der Bewil­li­gung der Hil­fe schwie­rig wer­den könn­te, ist es rat­sam, sich an eine der in jedem Bun­des­land exis­tie­ren­den Ombuds­stel­len zu wenden.

15.4. Wie kann ich einen Antrag auf Jugend­hil­fe stellen? 

Du kannst einen Antrag auf Hil­fe bei dem Jugend­amt, das für Dich zustän­dig ist, grund­sätz­lich form­los, d.h. auch münd­lich am Tele­fon stel­len. Es ist jedoch rat­sam einen Antrag schrift­lich zu stel­len. Ein schrift­li­cher Antrag ist ver­bind­li­cher und lässt sich in einem Rechts­streit leich­ter nach­wei­sen. In jedem Fall mache eine Kopie Dei­nes Antrags, den Du dann in einen Doku­men­ten-Ord­ner einheftest.

Das Jugend­amt soll­te Dich bei der Antrag­stel­lung unter­stüt­zen, wenn Du Dich allei­ne schwer damit tust. Bit­te die zustän­di­ge Mit­ar­bei­te­rin um Hil­fe, wenn Du nicht sicher, bist, ob Du alle wich­ti­gen Anga­ben erwähnt hast. Die­se soll­te Dich durch geziel­te Fra­gen dabei unter­stüt­zen, den Antrag aus­rei­chend zu begründen.

Berich­te oder Emp­feh­lun­gen von bis­he­ri­gen Betreue­rin­nen, The­ra­peu­tin­nen oder z.B. auch von Leh­re­rin­nen, die Dei­nen Antrag unter­stüt­zen, könn­ten sehr hilf­reich sein. Wenn es einen Bericht gibt, der belegt, dass Du wei­ter­hin Unter­stüt­zung brauchst, kannst Du eine Kopie des Berichts dem Antrag als Anla­ge beilegen.

Auch die Ombuds­stel­le in Dei­nem Bun­des­land kann Dich bei der Antrag­stel­lung und Begrün­dung des Antrags unter­stüt­zen: www.ombudschaft-jugendhilfe.de

15.5. Unter­la­gen vom Jugend­amt: Ich möch­te einen Wider­spruch schrei­ben und die Ombuds­stel­le fragt nach mei­nen Unter­la­gen. Die­se muss ich aber erst suchen, und weiß auch nicht genau, ob ich noch alle Unter­la­gen habe. War­um benö­ti­ge ich die­se überhaupt? 

Gut ist es, wenn Du einen Über­blick über Dei­ne Unter­la­gen hast. Beschei­de oder Schrei­ben vom Jugend­amt sind dann wich­tig, wenn Du mit einer Ent­schei­dung des Jugend­am­tes nicht ein­ver­stan­den bist und zum Bei­spiel einen Wider­spruch schrei­ben möch­test. Dann ist es wich­tig, den ableh­nen­den Bescheid zu haben, damit Du auf die Fris­ten ach­ten kannst und genau weißt, was das Jugend­amt Dir genau geschrie­ben hat.

Am bes­ten du legst dir zu Dei­nem eige­nen Über­blick einen Ord­ner an, in den Du alle wich­ti­gen Unter­la­gen (am bes­ten im Ori­gi­nal) ablegst. Dazu gehö­ren zum Bei­spiel Anträ­ge, Berich­te und Beschei­de. Wenn Du bei­spiels­wei­se am Tele­fon eine Aus­kunft erhältst oder etwas münd­lich ver­ein­barst, notie­re Dir die wesent­li­chen Inhal­te, den Namen der Ansprech­per­son und das Datum. Hef­te die­se Infor­ma­tio­nen eben­falls im Ord­ner ab. Sinn­voll ist, dass du die Infor­ma­tio­nen gut struk­tu­rierst. Wann habe ich mit wem über was gespro­chen und was haben wir verabredet?

Wenn Du Anträ­ge oder Schrei­ben ver­schickst, dann mach Dir auf jeden Fall eine Kopie davon.

15.6. Mit­wir­kungs­pflicht: Kann die Mit­ar­bei­te­rin im Jugend­amt die Hil­fe been­den, da ich aus ihrer Sicht nicht mitwirke?

Du bist zur Mit­wir­kung an der Hil­fe ver­pflich­tet, zum Bei­spiel musst Du die für die Leis­tung erheb­li­chen Tat­sa­chen ange­ben und Du bist auch dazu ver­pflich­tet auf Ein­la­dung per­sön­lich im Jugend­amt zu erschei­nen, um Dei­nen Antrag mit den Mit­ar­bei­ten­den des Jugend­am­tes zu besprechen. 

Das bedeu­tet: Mit­wir­kungs­pflich­ten bestehen ledig­lich nach den §§ 60 bis 64 SGB I. Es besteht:

-eine Offen­ba­rungs­ver­pflich­tung bezüg­lich leis­tungs­er­heb­li­cher Tat­sa­chen bzw. derer Veränderungen,

-die Pflicht zur Aus­kunfts­er­tei­lung durch Drit­te erfor­der­li­chen­falls zuzu­stim­men sowie

-die Pflicht des per­sön­li­chen Erschei­nens auf Ver­lan­gen des Jugend­am­tes ins­be­son­de­re zum Hil­fe­plan­ge­spräch oder bei einer erfor­der­li­chen Begutachtung.

Aus § 36 SGB VIII erge­ben sich kei­ne Mit­wir­kungs­pflich­ten. Die­se Nor­mie­rung der Mit­wir­kungs­pflicht hat der Gesetz­ge­ber absicht­lich nicht auf­ge­nom­men, denn es soll­te ver­mie­den wer­den, dass es in der Pra­xis als Vor­wand dient, „schwie­ri­ge“ und pha­sen­wei­se auch „des­in­ter­es­sier­te“ jun­ge Men­schen vor­schnell aus der Hil­fe zu ent­las­sen und ihnen damit häu­fig eine letz­te Mög­lich­keit gesell­schaft­li­cher Inte­gra­ti­on zu neh­men. Der jun­ge Mensch soll moti­viert wer­den, Durstre­cken zu über­win­den. Wenn bespro­che­ne Zie­le nicht erreicht wer­den konn­ten, muss die Mess­lat­te tie­fer gehängt werden.

Die Leis­tungs­be­rech­tig­ten sind an der Auf­stel­lung des Hil­fe­plans zu betei­li­gen und es besteht ein Recht auf Mit­wir­kung an der Erstel­lung des Hil­fe­plans. Der Hil­fe­plan bil­det die Grund­la­ge der Ent­schei­dung des Jugend­am­tes über den Hilfeantrag.

Eine grund­sätz­li­che Bereit­schaft des jun­gen Voll­jäh­ri­gen Hil­fe anzu­neh­men und sich nach sei­nen Mög­lich­kei­ten aktiv zu betei­li­gen, ist aller­dings Vor­aus­set­zung für eine Hil­fe. Wenn man grund­sätz­lich nichts ver­än­dern möch­te, so kom­men Leis­tun­gen nach § 41 SGB VIII nicht in Betracht.

Von daher soll­test du, was die genaue Aus­ge­stal­tung der Hil­fe betrifft, grund­sätz­lich mit Dir reden las­sen. Wenn Du Ideen hast, wie die Unter­stüt­zung Dir am bes­ten hel­fen könn­te, kannst Du kon­kre­te Vor­schlä­ge vor­brin­gen. In jedem Fall soll­test Du klar sagen, wofür Du die Unter­stüt­zung brauchst und willst.

Das Jugend­amt muss in der Hil­fe­pla­nung für dich ver­ständ­lich erklä­ren, war­um es wel­che Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te vor­schlägt. Es dür­fen kei­ne zu hohen Erwar­tun­gen an Dich gestellt wer­den und die Hil­fe darf nicht von Bedin­gun­gen, zum Bei­spiel regel­mä­ßi­ger Schul­be­such (wenn das Dein Pro­blem ist) abhän­gig gemacht werden.

15.7. Habe ich ein Recht dar­auf, die Pro­to­kol­le von Gesprä­chen mit dem Jugend­amt zu erhal­ten, auch wenn es sich bei den Gesprä­chen nicht um Hil­fe­plan­ge­sprä­che handelt?

Alle Gesprä­che, die gemein­sam mit Dei­ner Jugend­amts­mit­ar­bei­te­rin statt­fin­den, sind Teil der Hil­fe­pla­nung. Wie die­se schrift­lich doku­men­tiert wird, ist über­all sehr unter­schied­lich. Zu Beginn oder bei einer Wei­ter­be­wil­li­gung der Hil­fe wird in der Regel ein soge­nann­ter Hil­fe­plan erstellt, den alle Betei­lig­ten erhal­ten, zum Bei­spiel auch Du und Dei­ne Wohn­grup­pe. Für man­che Gesprä­che, die zusätz­lich zu den regel­mä­ßi­gen Hil­fe­plan­ge­sprä­chen statt­fin­den, gibt es oft kei­ne schrift­li­chen Pro­to­kol­le. Du kannst zu Beginn eines Gesprä­ches dar­um bit­ten. Soll­te dies jedoch abge­lehnt wer­den, mache Dir Noti­zen zu den wich­tigs­ten Ver­ein­ba­run­gen und Abspra­chen. Die­se kannst Du nach dem Gespräch sel­ber per E‑Mail oder Brief an Dei­ne Jugend­amts­mit­ar­bei­te­rin schi­cken. Set­ze dar­in eine Frist (1 Woche) und bit­te sie dar­um, sich inner­halb die­ser Frist zu mel­den, wenn es zu Dei­nen Noti­zen unter­schied­li­che Sicht­wei­sen gibt. Soll­te sie sich nicht mel­den, kannst Du davon aus­ge­hen, dass es so ver­ein­bart wur­de, wie Du es auf­ge­schrie­ben hast. Alle E‑Mails oder Brie­fe müs­sen im Jugend­amt in die Akte auf­ge­nom­men wer­den. Mach Dir für Dei­ne Unter­la­gen zusätz­lich eine Kopie oder spei­che­re die E‑Mail ab. So kannst Du bei Bedarf spä­ter dar­auf verweisen.

15.8. Been­di­gung der Hil­fe: Ich lebe in einer Wohn­grup­pe und wer­de bald 18 Jah­re. Ich will dort wei­ter woh­nen, das Jugend­amt will aber, dass ich aus­zie­he. Wie kann ich wei­ter dort woh­nen bleiben?

Nach § 41 SGB VIII besteht ein recht­li­cher Anspruch auf Hil­fen auch für jun­ge Voll­jäh­ri­ge, wenn und solan­ge die Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung der jun­gen Voll­jäh­ri­gen eine selbst­be­stimm­te, eigen­ver­ant­wort­li­che und selb­stän­di­ge Lebens­füh­rung nicht gewährleistet. 

Durch die Ver­än­de­run­gen im SGB VIII wur­den mit Wir­kung zum 10.06.2021 kon­kre­te Vor­aus­set­zun­gen für die Leis­tung ein­ge­führt und fest­ge­legt, dass die­se Hil­fe gewährt wer­den muss, wenn die­se Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen („muss“ statt „soll“). Die Gewäh­rung von Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge wird damit ver­bind­li­cher. Es wur­de zudem klar­ge­stellt, dass für eine Hil­fe­ge­wäh­rung nach § 41 SGB VIII kei­ne Pro­gno­se bzgl. einer eigen­ver­ant­wort­li­chen Lebens­füh­rung, son­dern viel­mehr eine „Gefähr­dungs­ein­schät­zung“ im Hin­blick auf die Ver­selb­stän­di­gung zu erfol­gen hat. Das bedeu­tet, es muss kei­ne Aus­sa­ge getrof­fen wer­den, bis wann die Zie­le (selbst­be­stimm­te, eigen­ver­ant­wort­li­che und selb­stän­di­ge Lebens­füh­rung) erreicht wer­den kön­nen. Die­ser Ver­selb­stän­di­gungs­pro­zess ist zu unter­stüt­zen. “Gefähr­dungs­ein­schät­zung“ bedeu­tet, dass das Jugend­amt prü­fen muss, ob eine Been­di­gung der Hil­fe die wei­te­re Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung und Ver­selb­stän­di­gung gefähr­den wür­de. Bei­spie­le für eine wei­ter­hin not­wen­di­ge Unter­stüt­zung lie­gen unter ande­rem vor, wenn Du noch zur Schu­le gehst oder in der Aus­bil­dung bist oder kurz davor stehst eine Aus­bil­dung zu begin­nen. Auch dro­hen­de Obdach­lo­sig­keit, unkla­re Lebens­un­ter­halts­si­che­rung, gesund­heit­li­che Aspek­te oder wenn Du für eine Zukunfts­pla­nung wei­ter­hin die Unter­stüt­zung Dei­ner bis­he­ri­gen Haupt­be­zugs­per­so­nen benö­tigst, kön­nen Aspek­te für eine Fort­füh­rung der Hil­fe sein.

Dar­über hin­aus wird nun klar­ge­stellt, dass nach Been­di­gung der Hil­fe eine erneu­te Gewäh­rung oder Fort­set­zung nicht aus­ge­schlos­sen ist (§ 41 Abs.1 Satz 3 SGB VIII ).

Soll­ten an die­ser Stel­le wei­ter­hin Ansprü­che ver­wei­gert wer­den, kön­nen vor dem Hin­ter­grund der neu­en Geset­zes­grund­la­ge Rechts­mit­tel ein­ge­legt wer­den. Wel­che Rechts­mit­tel ein­ge­legt wer­den kön­nen und wie dies genau funk­tio­niert, ist bei den Fra­gen unter Punkt 4 Fra­ge 4.2. und 4.4. zu finden. 

Hier­zu berät auch die jeweils zustän­di­ge Ombuds­stel­le: www.ombudschaft-jugendhilfe.de

15.9. Been­di­gung der Hil­fe: Ich lebe in einer Pfle­ge­fa­mi­lie und wer­de bald 18 Jah­re alt. Nun soll die Hil­fe enden. Mei­ne Pfle­ge­el­tern wol­len mich zwar wei­ter­hin unter­stüt­zen, aber ich fin­de es unge­recht, dass sie nicht wei­ter Pfle­ge­geld bekom­men sol­len. Was kann ich tun? Wel­che Mög­lich­kei­ten gibt es die Hil­fe fortzuführen?

Die Been­di­gung der Hil­fe muss in einem Hil­fe­plan­ge­spräch gemein­sam bespro­chen wer­den. Es kommt dar­auf an, wes­halb die Hil­fe been­det wird.

Wenn alle der Mei­nung sind, dass kein Hil­fe­be­darf mehr besteht, dann ist die Been­di­gung fol­ge­rich­tig. Dann besteht auch kein Anspruch mehr auf Pfle­ge­geld. Der Anspruch auf Pfle­ge­geld (§ 39 SGB VIII) hat kei­ne eige­ne Anspruchs­grund­la­ge, son­dern man bekommt es dann, wenn eine Hil­fe nach § 33 SGB VIII als not­wen­dig ange­se­hen wird.

Die Hil­fe kann been­det wer­den, wenn die im letz­ten Hil­fe­plan fest­ge­leg­ten Zie­le (z.B. Schul­ab­schluss) erreicht sind und danach kein wei­te­rer Bedarf (eher unwahr­schein­lich) der Unter­stüt­zung besteht.

Ansons­ten muss ein neu­er Antrag auf Hil­fe für jun­ge Voll­jäh­ri­ge nach §41 SGB VIII von Dir gestellt wer­den, da Du nun voll­jäh­rig bist. Das kannst du ca. 6 Mona­te vor dei­nem 18.Geburtstag tun und grund­sätz­lich soll­test Du dar­auf Wert legen, dass recht­zei­tig (6 Mona­te vor­her) vor Dei­nem 18. Geburts­tag ein Hil­fe­plan­ge­spräch statt­fin­det, in dem Du dann Dei­ne Inter­es­sen und Wün­sche vor­tra­gen kannst.

Das Jugend­amt ist auch ver­pflich­tet Dich hier über Dei­ne Rech­te zu infor­mie­ren. Wenn das Jugend­amt die Wei­ter­füh­rung der Hil­fe ablehnt, kannst Du einen Wider­spruch einlegen. 

Wer noch mehr zum Wider­spruch wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 4.2. und 4.4.

Das Jugend­amt muss aber ein Jahr vor Been­di­gung der Hil­fe prü­fen, ob du Unter­stüt­zung von einem ande­ren Sozi­al­leis­tungs­trä­ger (zum Bei­spiel Job­cen­ter oder BAföG) bekommst. Das Jugend­amt soll dafür sor­gen, dass Du lücken­los wei­ter­hin finan­zi­el­le Unter­stüt­zung bekommst (§ 41a SGB VIII).

Wer noch mehr wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­gen 15.11. und 15.12.

Wenn Du mehr Unter­stüt­zung durch die Pfle­ge­fa­mi­lie brauchst, als beim letz­ten Hil­fe­plan­ge­spräch ver­mu­tet, kannst Du auch einen neu­en Antrag auf Unter­stüt­zung stel­len. Dann muss das Jugend­amt prü­fen, ob der “Hil­fe­be­darf” doch noch vor­liegt. Die­se soge­nann­te “Coming-back-Opti­on” wird in der Geset­zes­än­de­rung aus­drück­lich unter­stützt (§ 41 Abs. 1 S.3 SGB VIII).

15.10. Been­di­gung der Hil­fe: Ich lebe in einer WG, kom­me aus Afgha­ni­stan, wer­de bald 18 Jah­re und soll aus­zie­hen. Ich müss­te dann in eine „Gemein­schafts­ein­rich­tung“ für Flücht­lin­ge. Darf das sein?

6 Abs. 2 SGB VIII regelt, dass auch Aus­län­de­rin­nen, die im Besitz einer Dul­dung oder eines recht­mä­ßi­gen Auf­ent­halts­ti­tels sind, Leis­tun­gen nach dem SGB VIII in Anspruch neh­men kön­nen. Das bedeu­tet ins­be­son­de­re, dass auch Hil­fen für jun­ge Voll­jäh­ri­ge (§ 41 SGB VIII) in Anspruch genom­men wer­den kön­nen. Danach besteht in der Regel ein Anspruch auf Hil­fen auch für jun­ge Voll­jäh­ri­ge, wenn fest­ge­stellt wird, dass eine Hil­fe wei­ter not­wen­dig ist. Nur in begrün­de­ten Aus­nah­me­fäl­len kann davon abge­wi­chen wer­den. Die­ser Anspruch wur­de durch eine Geset­zes­än­de­rung noch ein­mal gestärkt. Es han­delt sich hier um einen Ist-Anspruch. Das heißt, das Jugend­amt muss begrün­den, war­um aus­nahms­wei­se die­se Hil­fe nicht gewährt wer­den soll. Wenn fest­ge­stellt wird, dass die Not­wen­dig­keit nicht mehr besteht, muss geprüft wer­den, ob ande­re Hil­fen gewährt wer­den müs­sen. Min­des­tens soll im Rah­men einer Nach­be­treu­ung Hil­fe gewährt wer­den, die auch dar­in lie­gen kann, eine geeig­ne­te Wohn­form zu finden.

Wer mehr dazu wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­gen 15.11. und 15.12.

Wenn eine Jugend­hil­fe been­det wird, weil kein Bedarf mehr besteht und es gelingt nicht eine eige­ne Woh­nung zu fin­den, kann es pas­sie­ren, dass man vor­über­ge­hend in eine Gemein­schafts­un­ter­kunft oder wenn man nicht geflüch­tet ist in eine Unter­kunft für Woh­nungs­lo­se zie­hen muss. Das soll­te aber immer die aller­letz­te Mög­lich­keit sein und nur, wenn der Mensch bereits wirk­lich allei­ne und ohne Unter­stüt­zung zu leben in der Lage ist. Das ist regel­haft mit 18 Jah­ren nicht der Fall. 

Wer mehr dazu wis­sen möch­te: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1999 – 5 C 24/98 –

15.11. Dro­hen­de Obdach­lo­sig­keit: Ich lebe in einer WG und wer­de nächs­te Woche 18 Jah­re. Nun soll ich aus­zie­hen. Ich habe aber kei­ne Woh­nung. Kann ich trotz­dem in der WG bleiben?

Allei­ne die Voll­jäh­rig­keit ist kein Grund die Jugend­hil­fe zu been­den. Wenn wei­ter­hin Jugend­hil­fe gewünscht und gebraucht wird, soll­te das ent­spre­chend bean­tragt wer­den. Die­ser Antrag auf Fort­füh­rung der Hil­fe über die Voll­jäh­rig­keit hin­aus, kann bereits 6 Mona­te vor dem 18. Geburts­tag gestellt werden. 

Wer mehr dazu wis­sen möch­te: sie­he auch Fra­ge 15.2.

Nach § 41a SGB VIII erhal­ten jun­ge Voll­jäh­ri­ge eine ver­bind­li­che Nach­be­treu­ung, frü­her war die Nach­be­treu­ung in § 41 Abs. 3 SGB VIII alte Fas­sung dage­gen nicht zwin­gend. Jun­ge Voll­jäh­ri­ge müs­sen inner­halb eines ange­mes­se­nen Zeit­raums im not­wen­di­gen Umfang bera­ten und unter­stützt wer­den. Zeit­raum und Umfang der Bera­tung und Unter­stüt­zung sol­len im Hil­fe­plan fest­ge­stellt, doku­men­tiert und regel­mä­ßig über­prüft werden.

Eine sol­che Nach­be­treu­ung kann etwa auch in Form von Woh­nungs­su­che erfol­gen. Wenn eine Woh­nung nicht recht­zei­tig gefun­den wer­den kann, besteht eine Hil­fe­be­dürf­tig­keit und damit ein recht­lich durch­setz­ba­rer Anspruch auf Hil­fe nach § 41 Abs.1 SGB VIII. Wenn die Hil­fe aber ver­sagt wird, muss ver­sucht wer­den, noch vor Aus­zug eine Lösung zu fin­den. Es soll­te also noch vor dem dro­hen­den Aus­zug eine Ombuds­stel­le auf­ge­sucht wer­den. Die­se kann auch bei der Ver­mitt­lung von Anwäl­tin­nen hel­fen, wenn eine Lösung nur bei Gericht mög­lich ist. Um eine schnel­le Lösung zu errei­chen, gibt es beson­de­re Ver­fah­ren bei Gericht, die soge­nann­ten einst­wei­li­gen Rechtsschutzverfahren.

15.12. Been­di­gung der Hil­fe: Ich wer­de bald 18 Jah­re alt und soll aus­zie­hen aus der WG. Aber bis­her ist nir­gend­wo ein Antrag gestellt. Ich habe Sor­ge, dass ich ohne Geld dasit­zen wer­de. Was kann ich tun?

41 Abs. 3 SGB VIII ver­pflich­tet das Jugend­amt bereits ab 1 Jahr bevor die Hil­fe been­det wer­den soll, zu prü­fen und mit den jun­gen Men­schen zu bespre­chen, ob im Hin­blick auf den Bedarf des jun­gen Men­schen ein ande­rer Sozi­al­leis­tungs­trä­ger zustän­dig wer­den könn­te und den Über­gang zu regeln.

Die vor­ge­schrie­be­ne Prü­fung des Bedarfs des jun­gen Men­schen muss ein Jahr vor Been­di­gung der Hil­fe noch nicht zu einem Ergeb­nis kom­men, son­dern ab die­sem Zeit­punkt nur ver­stärkt wer­den. In der Geset­zes­be­grün­dung wer­den ver­schie­de­ne Leis­tungs­über­gän­ge bei­spiel­haft genannt, etwa der Über­gang von einer Jugend­hil­fe­ein­rich­tung in den Bezug von SGB II- oder BAföG-Leis­tun­gen, von Leis­tun­gen nach § 67 SGB XII oder von Leis­tun­gen der Eingliederungshilfe.

Wer mehr dazu wis­sen möch­te: BT-Drs. 19/26107, S. 95.

Das Jugend­amt behält die Feder­füh­rung für die­sen Pro­zess und darf erst ent­las­sen, wenn der ande­re ver­bind­lich leis­tet. Das Gesetz wur­de extra so geän­dert, damit die­se Lücken nicht mehr entstehen.

Wer mehr dazu wis­sen möch­te: BT-Drs. 19/26107, S. 94, 95

16. Schu­le und Schulbegleitung

16.1. Schul­be­glei­tung: Ich brau­che für mein Kind Unter­stüt­zung in der Schu­le. Wie kom­me ich an eine Schulbegleitung?

Ein jun­ger Mensch hat Anspruch auf eine Schul­be­glei­tung, wenn eine geis­ti­ge und/​oder kör­per­li­che Beein­träch­ti­gung vor­liegt (För­der­schwer­punk­te: geis­ti­ge Ent­wick­lung, kör­per­li­che und moto­ri­sche Ent­wick­lung, Hören, Sehen etc.) und die Schu­le im Rah­men ihrer Mög­lich­kei­ten den Bedürf­nis­sen und Bedar­fen des jun­gen Men­schen nicht gerecht wer­den kann. Wenn eine (dro­hen­de) see­li­sche Behin­de­rung vor­liegt (§ 35a SGB VIII) und vom Jugend­amt eine soge­nann­te Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung aner­kannt wur­de, kann eine Schul­be­glei­tung bewil­ligt werden.

16.2. Schul­be­glei­tung: Die Schul­be­glei­tung für unse­re Toch­ter soll enden. Wir wol­len das aber nicht akzep­tie­ren. Was kön­nen wir tun?

Es besteht ein Anspruch auf einen recht­mä­ßi­gen Bescheid, gegen die­sen kann Wider­spruch ein­ge­legt wer­den. Wer mehr wis­sen möch­te: sie­he Fra­ge 4.1..

16.3. Inter­net­schu­le: Mei­ne Toch­ter kommt an der Schu­le nicht klar, sie war schon an meh­re­ren Schu­len. Wir wol­len, dass sie per Inter­net­schu­le beschult wird. Das Jugend­amt wei­gert sich aber, die Kos­ten dafür zu über­neh­men. Was kön­nen wir tun?

Die­se Fra­ge ist nicht ein­heit­lich für alle Bun­des­län­der gere­gelt. Grund­sätz­lich gilt: Eine Inter­net­be­schu­lung kann durch den Jugend­hil­fe­trä­ger finan­ziert wer­den, wenn eine Beschu­lung an einer regu­lä­ren Schu­le nicht mehr mög­lich ist. Es muss deut­lich wer­den durch Fach­ein­schät­zung von Päd­ago­gin­nen oder Medi­zi­ne­rIn­nen, dass die Inter­nat-Beschu­lung die ein­zi­ge Mög­lich­keit ist, die Schul­fä­hig­keit wie­der her­zu­stel­len. Recht­li­che Grund­la­ge hier­für ist der Anspruch auf Teil­ha­be an Bil­dung. Die Ent­schei­dung, ob eine Inter­net-Beschu­lung die geeig­ne­te Maß­nah­me ist, wird in einem koope­ra­ti­ven, sozi­al­päd­ago­gi­schen Ent­schei­dungs­pro­zess getrof­fen unter Mit­wir­kung der Fach­kräf­te des Jugend­am­tes und der betrof­fe­nen Hil­fe­emp­fän­ge­rin. Es wird also immer eine indi­vi­du­el­le Ent­schei­dung im Ein­zel­fall geben.

16.4. Schul­geld: Mein Kind lebt in einer Wohn­grup­pe. Nun ist sie bald 6 Jah­re alt und soll ein­ge­schult wer­den. Ich möch­te eine Pri­vat­schu­le für sie. Über­nimmt das Jugend­amt die Kosten?

In allen Bun­des­län­dern kön­nen die Eltern frei ent­schei­den, ob sie ihr Kind auf eine öffent­li­che Schu­le oder eine Pri­vat­schu­le schi­cken. In der Regel müs­sen die Kos­ten dafür von den Eltern über­nom­men wer­den. In Aus­nah­me­fäl­len kann eine Kos­ten­über­nah­me durch das Jugend­amt erfol­gen. Eine der Vor­aus­set­zung für eine Kos­ten­über­nah­me ist, dass eine Beschu­lung in öffent­li­chen Schu­len nicht bedarfs­ge­recht ist. Dazu bedarf es eines sozi­al­päd­ago­gi­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­ses, ob die beab­sich­tig­te Maß­nah­me die ein­zi­ge Mög­lich­keit ist, das Recht auf Teil­ha­be an Bil­dung durch­zu­set­zen. Sol­che Maß­nah­men wer­den gewöhn­lich dann finan­ziert, wenn schon im Kin­der­gar­ten deut­lich wur­de, dass ein beson­de­rer Bedarf besteht und wenn nur die Pri­vat­schu­le beson­de­re Bedin­gun­gen erfüllt, so dass man nur dort dem Kind und sei­nen Bedürf­nis­sen gerecht wer­den kann.

17. Psy­chi­sche Erkrankungen/​Suchterkrankung

17.1. Psy­chi­sche Pro­ble­me: Mein Kind lebt in einer Wohn­grup­pe, weil ich Pro­ble­me mit Alko­hol hat­te. Das Jugend­amt hat­te gesagt, dass ich mein Kind wie­der­be­kom­me, wenn ich eine The­ra­pie gemacht habe. Die­se The­ra­pie habe ich absol­viert. Aber mein Kind lebt immer noch dort. Was kann ich tun?

Davon aus­ge­hend, dass das Jugend­amt über den erfolg­rei­chen Abschluss der The­ra­pie infor­miert ist, soll­te jetzt in einem Hil­fe­plan­ge­spräch mit­ein­an­der (ein­schließ­lich der Wohn­grup­pe) über­legt wer­den, wel­cher Zeit­punkt für eine Rück­kehr im Inter­es­se des Kin­des för­der­lich ist. Das Kind ist an die­ser Ent­schei­dungs­fin­dung zu betei­li­gen. Rück­kehr­op­ti­on und Zeit­punkt soll­ten im Hil­fe­plan fest­ge­hal­ten wer­den. Es kann ver­schie­de­ne Grün­de geben, die eine sofor­ti­ge Rück­kehr, auch wenn sie sehr gewünscht ist, nicht sinn­voll erschei­nen las­sen. Ein Bei­spiel könn­te ein mit der Rück­kehr ver­bun­de­ner Schul­wech­sel sein.

17.2. Psy­chi­sche Pro­ble­me: Das Jugend­amt sagt, ich sei unzu­ver­läs­sig und könn­te mich also nicht um mein Kind küm­mern. Tat­säch­lich fehlt mir manch­mal die Kraft. Was kann ich trotz­dem vom Jugend­amt an Hil­fe bekommen?

Zunächst muss ein­ge­schätzt wer­den, wofür die Kraft reicht und wofür nicht. Die Unter­stüt­zungs­mög­lich­kei­ten des Jugend­am­tes vari­ie­ren von kurz­fris­ti­gen ambu­lan­ten bis hin zu sta­tio­nä­ren Hil­fen. Ziel der Unter­stüt­zung muss immer sein, dass sich die Kin­der emo­tio­nal und kör­per­lich gut ent­wi­ckeln und die Eltern mit der Unter­stüt­zung des Jugend­am­tes ihre Kin­der, wenn mög­lich, zuhau­se betreu­en können. 

Wenn also die Kraft dafür aus­reicht die Grund­ver­sor­gung des Kin­des sicher­zu­stel­len, kommt even­tu­ell eine ambu­lan­te Hil­fe in Fra­ge. Das bedeu­tet ihr Kind lebt wei­ter in der Fami­lie wird zum Bei­spiel durch eine sozi­al­päd­ago­gi­sche Fami­li­en­hil­fe unter­stützt. Ein Ziel muss hier auch sein her­aus­zu­fin­den, war­um die Kraft manch­mal nicht reicht und wie das lang­fris­tig ver­än­dert wer­den kann. Zum Bei­spiel wie der All­tag kraft­spa­ren­der orga­ni­siert wer­den kann. Viel­leicht ist auch eine Psy­cho­the­ra­pie der Mut­ter oder des Vaters not­wen­dig, wenn die Pro­ble­me tie­fer liegen.

Soll­te die Kraft nicht dafür aus­rei­chen die Grund­ver­sor­gung des Kin­des sicher­zu­stel­len, kann oder muss auch über eine sta­tio­nä­re Hil­fe nach­ge­dacht wer­den. Hier ist das obers­te Ziel alles dafür zu tun, dass das Kind so schnell wie mög­lich wie­der zu den Eltern zurück­keh­ren kann. Das nennt man Rückführung.

Um her­aus­zu­fin­den was wann wich­tig ist, um einer Fami­lie zu hel­fen, müs­sen wahr­schein­lich meh­re­re Gesprä­che mit ver­schie­de­nen Betei­lig­ten geführt werden.

In jedem Fall sind die­se Hil­fen frei­wil­lig. Die Eltern müs­sen ein­ver­stan­den mit der Hil­fe sein.

17.3.: Psych­ia­trie: Mei­ne Toch­ter lebt in einem Heim. Nun ist sie in die Kin­der- und Jugend­psych­ia­trie ein­ge­wie­sen wor­den. Das Heim küm­mert sich gar nicht mehr um mei­ne Toch­ter. Müs­sen die nicht Kon­takt hal­ten zu ihr?

Wenn die sta­tio­nä­re Hil­fe­form in der Heimein­rich­tung nicht been­det wur­de und der jun­ge Mensch wei­ter in der Ein­rich­tung unter­ge­bracht ist, also nach dem Auf­ent­halt in der Kin­der- und Jugend­psych­ia­trie dort­hin zurück­kehrt, ist die Ein­rich­tung auch wei­ter­hin zustän­dig. Das bedeu­tet, dass Ein­rich­tun­gen in einem sol­chen Fall meist in Form von Tele­fo­na­ten und Besu­chen zu den jun­gen Men­schen Kon­takt hal­ten und sich gege­be­nen­falls auch um die Orga­ni­sa­ti­on von Beur­lau­bun­gen in die Ein­rich­tung küm­mern. Dar­über hin­aus hal­ten die jewei­li­gen (Bezugs-)Pädagoginnen aus dem Heim in der Regel auch Kon­takt mit den behan­deln­den Ärz­tin­nen und The­ra­peu­tin­nen über den Behand­lungs­ver­lauf, wenn eine ent­spre­chen­de Voll­macht der Sor­ge­be­rech­tig­ten vor­liegt. Besteht hier ein Klä­rungs­be­darf kann mit der Heimein­rich­tung selbst Kon­takt auf­ge­nom­men und erfragt wer­den wel­che Begrün­dung es für den momen­ta­nen Kon­takt­ab­bruch zu dem jun­gen Men­schen gibt. Wenn über die­sen Weg kei­ne Klä­rung der Situa­ti­on / Infor­ma­ti­on mög­lich ist, kann das zustän­di­ge Jugend­amt kon­tak­tiert und um Klä­rung der Situa­ti­on gebe­ten werden.

17.4.: Psych­ia­trie: Mein Kind ist im Heim unter­ge­bracht und soll nun Medi­ka­men­te bekom­men, die gar nicht für Kin­der und Jugend­li­che zuge­las­sen sind! Was kann ich tun?

Da dies eine sehr spe­zi­el­le Fra­ge ist, wen­de dich dazu an die für dich zustän­di­ge
Ombuds­stel­le.